von Dina van Doorn

Die Friedenskirche in Siegen-Achenbach beeindruckt weder durch ihr Aussehen noch mit ihrem Alter. Allerdings beeindruckt sie mit ihrer Geschichte und ihren Erlebnissen. Eine Kirche, die umgezogen ist – das ist selten.

Zu Beginn ihrer Planung begeisterte sie niemanden: Sie sollte der Evangelische Stadt-Gemeinde Siegen als Ersatzkirche nach dem Krieg dienen. Die erwartete Nutzungsdauer sollte nicht länger als zehn Jahre sein. Mittlerweile wurde sowohl der Name als auch der Standort der Kirche geändert. Zudem steht sie seit 2012 unter Denkmalschutz. Sie ist für viele Achenbacher nicht mehr weg zu denken.

Die Vorgeschichte

Nachdem Siegen vom 17. September 1944 bis zum 23. März 1945 durch mehrere Bombenangriffe zerstört wurde, gab es keinen Gottesdienstraum für die wöchentlichen evangelischen Gottesdienste und Gebetsstunden mehr. Die Kirchen in der Stadtmitte - Martini und Nikolai – lagen in Schutt und Asche. Die Kriegszerstörungen betrafen jedoch nicht nur die Gotteshäuser im Stadtkern - unter anderem war auch die Kapelle in Kaan-Marienborn nach dem Krieg nicht mehr zu benutzeni

Als man nach dem Krieg wieder Gottesdienst feiern konnte, ohne Angst zu haben, einem Bombenangriff zum Opfer zu fallen, mussten die Gemeinden kreativ sein. So nutzen sie als Räumlichkeiten für ein Zusammentreffen Klassenzimmer, Kindergärten und anfangs, kaum vorstellbar, sogar die katholische Peter-Paul-Kirche. Der außergewöhnlichste Ort, Gottesdienst zu feiern, blieb aber wohl der Luftschutztunnel in der Charlottenstraße. Die Beispiele zeigten die Notwendigkeit, dem evangelischen Kirchenkreis Siegen unter die Arme zu greifen.ii Eine reformierte US-amerikanische Gemeinde aus Evansville wollte dem Kreis Lippe 6000 Dollar für die Reparaturen einer Kirche spenden. Da man dort diesem Wunsch nicht nachgehen konnte, entschied das Evangelische Hilfswerk Westfalen, dass Siegen dieses Hilfspaket bekommen sollte.iii

Statt den Wiederaufbau einer der zerstörten Kirchen in Siegen zu finanzieren, kaufte die evangelische Kirchengemeinde von dem Geld einfach eine neue Kirche. Bei dieser Kirche handelte es um eine „Fertigkirche“ aus Holz, die von einer schwedischen Firma hergestellt und mit einer Aufbauanleitung nach Siegen geschickt wurde.iv

Obwohl die Stadt Siegen dringend Räumlichkeiten für Gottesdienste benötigte, ließ sie die Holzkirche nicht sofort errichten. Bereits im Oktober 1947 war das Material nach Siegen geliefert worden. Aber erst im August 1948 war sie komplett aufgebaut. Als Platz für die Kirche wählte man den sogenannten Eintrachtspark. Heute steht dort die Siegerlandhalle.

Die Zeit als Johanneskirche

Abendmahltisch der FriedenskircheDie Kirche wurde schließlich am 8. August 1948 nach zweimaliger Terminverschiebung unter dem Namen Johanneskirche in Dienst gestellt. Der Name wurde vom Presbyterium ausgewählt, weil es bereits im Mittelalter eine Kirche in der Nähe des damaligen Standortes gegeben hatte.v Die Johanneskirche war angeblich der erste evangelische Kirchbau in der Stadt seit der Reformation.vi

Zur Einweihung kamen natürlich das Presbyterium, der damalige Präses D. Koch und weitere geladene Gäste.vii Der Einweihungsgottesdienst wurde auf den Nachmittag verschoben, weil viele Pfarrer aus Siegen sonntags morgens arbeiten mussten. Der Ablauf des Einweihungsgottesdienstes und des Tages wurden in Zusammenarbeit mit dem damaligen Superintendenten Achenbach und dem Bezirkspfarrer Thiemann genau geplant, da der 8. August 1948 ein voller Erfolg werden sollte.viii

Das wurde er in der Tat. Es kamen so viele Menschen zur Eröffnung der Kirche, dass die meisten draußen vor der Kirche bleiben mussten. Da vor der Tür Bänke und Lautsprecher bereitgestellt wurden, war die Menschenmasse aber kein Problem. Zur damaligen Zeit bedeutete den meisten Menschen Kirche und Religion wahrscheinlich noch mehr als der Mehrheit heute. Vor allem war man drei Jahre nach dem Krieg vermutlich dankbar dafür, dass man noch lebte und erfreute sich über eine Kirche. Dies könnte den Andrang dort erklären.ix

So sehr sich die Menschen über diese kleine Kirche auch freuten, änderte dies nichts an dem damaligen Pachtvertrag mit der Stadt Siegen. Der Vertrag wurde zwar auf unbestimmte Zeit geschlossen, aber die Stadt hatte das Recht, ihn jeder Zeit kündigen, falls sie das Eintracht-Gelände für etwas Anderes benötigte.x Heute weiß man, dass sich die Stadt eben dieses Recht nicht hat nehmen lassen. 1948 hingegen wird man kaum damit gerechnet haben, dass die Stadt Siegen schon vier Jahre nachdem die Johanneskirche eingeweiht wurde, beschloss, das Pachtverhältnis zu kündigen. Am 9.2.1952 wurde dieser Beschluss entschieden, spätestens am 31. März 1954 sollte die Kirchengemeinde die Johanneskirche abgebaut haben.xi Für die Gemeindemitglieder aus dem Bezirk Hammerhütte war dies natürlich keine erfreuliche Nachricht, da sie ihre Kirche nicht wieder verlieren wollten. Zudem hatte das Presbyterium keine Idee, wohin die Kirche wieder aufgebaut werden sollte und das nötige Kleingeld fehlte der Kirchengemeinde ebenfalls.xii

Die kleine Holzkirche samt Gemeinde hatte Glück im Unglück. Sie durfte insgesamt noch sechs Jahre im Eintracht-Park stehen bleiben. Die Gemeinde bekam zwar 1955 erneut eine Aufforderung die Kirche zu versetzen, umgesetzt wurde dieser Plan aber erst 1958, da die Planung für das Projekt „Stadthalle“ anscheinend nur schleppend voranging.xiii

Die Friedenskirche 2016Der ausschlaggebende Grund für die Beendigung des Pachtverhältnisses war ein Brand in der Nacht vom 14. auf den 15. Januar 1958 in der Johanneskirche. Der Brand wurde durch einen der Gasöfen, mit denen in der Kirche damals geheizt wurde, ausgelöst. Der Kirchensaal war zwar nicht besonders beschädigt, dafür aber das Dach, denn die Dachbalken waren verkohlt. Somit war die Johanneskirche erst einmal unbrauchbar für Gottesdienste.xiv Die Versicherung zahlte, zum Glück der Gemeinde, etwa 20.000 DM. Dieses Geld wollte das Presbyterium für den bevorstehenden Umzug der Kirche sparen.xv

Unmittelbar nach dem Brand teilte die Stadt der Kirchengemeinde mit, dass der Bau der Siegerlandhalle noch im Jahr 1958 anfangen sollte. Deswegen sollte die Johanneskirche das Eintrachtsgelände so schnell wie möglich verlassen.xvi

Man entschied sich die Kirche, solange sie noch auf dem Eintracht-Gelände stand, nicht zu reparieren. Einzig und allein die Orgel der Johanneskirche sollte repariert werden.xvii

Zwei Jahre zuvor, 1956, wurde der Bezirk Witschert, dazu gehörten Achenbach, Heidenberg, Fischbacherberg, Johanneshütte und die Schemscheid, unabhängig von dem Pfarrbezirk Hammerhütte. Der erste Pfarrer des Bezirks wurde Ernst Haas, der am 15. April 1956 in die Pfarrstelle eingeführt wurde. Jetzt hatte der Pfarrbezirk Witschert zwar seinen eigenen Pfarrer, aber keine richtige Versammlungsstätte. Die Gottesdienste wurden zum Beispiel in der Schule in Achenbach gehalten.xviii Für die Bibelstunden traf man sich in privaten Wohnungen.xix

So führte wahrscheinlich eins zum anderen. Das Presbyterium entschied sich, die Kirche auf dem Witschert in Siegen-Achenbach aufbauen zu lassen.xx So würde das Gebäude der Johanneskirche bestehen bleiben und der Pfarrbezirk Witschert eine Kirche bekommen.

Die Umsetzung der Johanneskirche, die man damals mit der 6.000 Dollar Spende kaufte, sollte circa 30.000 DM kosten, zusätzlich berechnete man 7.500 DM für die Reparatur der Orgel.xxi Das war für eine Fertigkirche, die bereits beschädigt war, sehr viel Geld. Aber die Kirchengemeinde bekam einen Zuschlag von 20.000 DM vom Landeskreisamt, um die Kirche zu erhalten.xxii Einen Ort und Geld konnte man also auftreiben und das bedeutete, dass die kleine Holzkirche weiterhin bestehen konnte. Das Grundstück am Witschert, am Ende der Memelerstraße und am Anfang des Waldes, wurde von der Stadt genehmigt.xxiii Der Beschluss soll aber zuvor sehr diskutiert worden sein und die Entscheidung zögerte sich hinaus. Letzten Endes wurde das Grundstück genehmigt und die Kirchengemeinde bekam sogar einen Zuschuss von 5000 DM.xxiv Allerdings wurden einige Vorgaben der Stadt gemacht, die die Kirchengemeinde beachten musste. Da das Grundstück von Bäumen umgeben war, sollte man bei dem Aufbau der Kirche den Fichtenbestand erhalten und schonen und die Kirche so aufstellen, dass sie dem Holzabfuhrweg nicht in die Quere kam. Unterdessen erinnerte die Stadt Siegen den Gemeindebezirk daran, dass die Holzkirche rechtzeitig von dem Eintracht-Gelände abgebaut werden musste, um dem Bau der Siegerlandhalle nicht im Wege zu stehen.xxv

Da die Kosten des Ab- und Aufbaus doch höher als erwartet waren (ca. 50.000 DM), sammelte man Spenden aus der Gemeinde und hoffte auf großzügige Unterstützung.xxvi

Die Friedenskirche

Der geplante Termin, an dem die Kirche fertig aufgebaut am Witschert stehen sollte, war der Reformationstag 1958. Der Termin konnte jedoch nicht eingehalten werden. Der erste Gottesdienst fand am 25.12.1958, also rechtzeitig zur Weihnacht, statt. Dadurch, dass die Holzkirche ihren Standort ändern musste, sollte die Kirche auch einen neuen Namen bekommen. Der damalige Pfarrer Haas machte den Vorschlag, die Kirche „Friedenskirche“ zu nennen und das Presbyterium entschied sich einstimmig für den Namen.xxvii Der Name wurde unter anderem ausgewählt, um daran zu erinnern, dass die Kirche nur durch eine amerikanische Spende ermöglicht werden konnte und den damaligen neu gewonnenen Frieden widerspiegelte.xxviii Außerdem legte das Presbyterium fest, dass ab nun an jeden Sonntag um 10 Uhr Gottesdienst in der Kirche stattfinden sollte. Anschließend sollte es einen Kindergottesdienst geben.xxix Das Presbyterium entschied sich auch für das Personal, welches in der Friedenskirche arbeiten sollte. Als Organistin für die Friedenskirche wurde Frau Dietrich ausgewähltxxx, als Küster sollte Herr Zimmermann arbeiten. Man entschied sich einstimmig dafür, dass Herr Zimmermann einen Monatslohn von 120 DM erhalten sollte.xxxi

Obwohl bereits alles geregelt worden war, fand die offizielle Eröffnung der Kirche erst am 7. Mai 1959, dem Himmelfahrtstag, statt. Erneut gab es eine große Feier, an der viele Gemeindeglieder teilnahmen. Für die Achenbacher war die kleine Holzkirche die erste Kirche in ihrem Gemeindebezirk und somit etwas ganz Besonderes.xxxii

Während die Evangelische Kirchengemeinde Siegen zum 31. Dezember 1966 in sechs Gemeinden aufgeteilt wurde und die Friedenskirche ab dem Jahr 1967 nun zu der Christus-Kirchengemeinde gehörte, wurde der Aufwand, die Kirche aufrecht zu erhalten, immer größer. Der Fußboden und das Dach waren renovierungsbedürftig, ebenso musste man etwas an der Belüftung ändern. Da all diese Renovierungsarbeiten wieder eine Menge Geld gekostet hätten, beantragte das Presbyterium einen Bauzuschuss beim Kreissynodalvorstand. In diesem Zusammenhang wurde die Kirche begutachtet. Der Gemeindevorstand sollte neben der Renovierung auch eine Schließung der Friedenskirche überdenken, da man dem Gebäude maximal noch 10 Jahre gab.xxxiii

Statt die Kirche jedoch direkt zu reparieren oder gar daran zu denken, sie außer Betrieb zu setzten, feierte die Gemeinde 10 Jahre nach dieser Einschätzung am 7. Mai 1989 das 30-jährige Jubiläum der Friedenskirche. Erst danach renovierte man die Kirche von Grund auf. Das Dach wurde erneuert, ebenso die Fenster und der Innenraum. Eine kleine Küche und Toiletten wurden eingebaut und die Elektrik erneuert. Auch der Fußboden musste erneuert werden. Insgesamt dauerten diese Arbeiten von 1989 bis zum 24. Oktober 1993. Man kann sich vorstellen, dass die Sanierung viel Geld gekostet haben muss. Die Christus-Kirchengemeinde bekam aber Unterstützung von dem Bauverein der Evangelische Christus-Kirchengemeinde (Südbezirk). Zum einen erhielt sie finanzielle, aber auch tatkräftige Hilfe durch die Selbstinitiative seitens des Vereins.xxxiv

Man merkt, dass diese Kirche, die als Notkirche beziehungsweise als Ersatzkirche erbaut wurde, der Kirchengemeinde am Herzen lag, da sie über die Jahre hinweg keine Kosten und Mühe scheute, sie aufrecht zu erhalten. So wurde wesentlich mehr Geld in die kleine Holzkirche gesteckt, als sie ökonomisch wert war.

Die Friedenskirche im 21. Jahrhundert

Im Jahr 2009 wurde die Friedenskirche an ihrem zweiten Standort in Achenbach 50 Jahre alt. Anlässlich dieses Ereignisses feierte die Evangelische Christus-Kirchengemeinde vom 7. bis zum 10. Mai ein viertägiges Fest. An den Festivitäten nahmen auch die Superintendentin Annette Kurschus und der Bürgermeister Steffen Mues teil. Es gab ein breites Programm. Vom gemeinsamen Frühstück über verschiedene Gottesdienste und einen Kinderbibeltag bis hin zum großen Gemeindefest und einem bunten Abendprogramm reichten die Veranstaltungen anlässlich des Jubiläums.xxxv

Rund eineinhalb Jahre später machte die Friedenskirche erneut Schlagzeilen in den lokalen Medien, allerdings gab es in diesem Fall keinen Grund zum Feiern. Im Dezember 2010 wurde die Friedenskirche geschlossen, da das Dach des Gebäudes durch die Schneemassen für Einsturz gefährdet erklärt wurde. Für wie lange die Kirche geschlossen werden sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Die Gemeindeglieder mussten von da an zum sonntäglichen Gottesdienst in das Gemeindehaus Emmaus am Fischbacherberg fahren.xxxvi

Acht Monate später, also im Sommer 2011, wurde in der Christus-Kirchengemeinde wild darüber diskutiert, was mit der Friedenskirche passieren sollte. Die Kosten für die Renovierung war für das Presbyterium zu hoch - um die 70.000 Euro sollte die Gemeinde dafür bezahlen. Diesen Betrag konnte die Gemeinde unmöglich aufbringen, auch nicht mit finanzieller Unterstützung des Heimatvereins Achenbach und privaten Spenden. Ein Ausweichplan, damit die Kirche überhaupt wiedereröffnet werden konnte, war, von Innen mehrere Stützpfeiler in die Kirche zu bauen. Dafür sollten sich die Kosten auf unter 50.000 Euro belaufen. Zudem kam hinzu, dass einige Gemeindeglieder nichts spenden wollten, da die Arbeiten zu undurchsichtig waren. Andere wiederum forderten zusätzlich zur Reparatur des Daches auch noch einen Glockenturm. Glocken im Turm allerdings besaß die Kirche noch nie.xxxvii Die Sanierung und der Bau eines Glockenturms wurde jedoch bis heute noch nicht umgesetzt.

Obwohl die Kirche weiterhin geschlossen blieb, wurde das Gebäude der Friedenskirche, ebenso der Abendmahltisch, die Kanzel und die Liedtafeln, am 26. April 2012 unter Denkmalschutz gestellt.xxxviii

Erst im Sommer 2015 stand fest, dass die Friedenskirche wieder saniert werden sollte. Allerdings nicht von der Kirchengemeinde Christus-Kirchengemeinde, denn die Kirche „gehört“ seit dem vergangenen Jahr dem Heimatverein Achenbach. Diese Vereinbarung wurde allerdings nur auf Zeit getroffen. Der Heimatverein ließ sich darauf ein, um das Gebäude zu retten. 158.000 Euro soll der Verein für die Sanierung der Kirche, insbesondere für das Dach eingeplant haben. Durch die Denkmalschutzauflagen sind die Kosten viel höher geworden, als man im Jahr 2011 dafür berechnet hatte. Der Verein plant, aus dem ehemaligen Gottesdienstort ein Begegnungszentrum zu machen.xxxix

Bereits im Oktober 2015 wurde fleißig am Dach der Friedenskirche gearbeitet und die Renovierungen gingen schnell voran. Die Renovierung von Innen eilte nicht so sehr wie die des Dachs. Geplant war es, die Kirche Heiligabend bereits benutzen zu können, allerdings nicht für den alljährlichen Gottesdienst der Kirchengemeinde. Der Heimatverein dachte an eine Andacht mit anschließendem Essen oder/und die Verpflegung von Flüchtlingen.xl

Auch wenn die Kirche, da sie außer Dienst gestellt wurde, nicht mehr für den normalen kirchlichen Betrieb genutzt wird, freut es sicher jeden, der diese Kirche kennt, dass das Gebäude der Friedenskirche weiterhin aufrechterhalten wird und ein Ort der Zusammenkunft bleibt. Die Kirche ist im Dorf geblieben und nun Teil des historischen Rundwegs in Achenbach.

Literaturverzeichnis:

- Michael Becker: Von der Eintracht zum Witschert: Die Geschichte der Evangelischen Johannes-und Friedenskirche Siegen 1948-1998, Siegen 1998

- Walter Thiemann: Wenn du ins Feuer gehst, Siegen 1973

Quellenverzeichnis:

- Presbyteriumsprotokolle von 1948-1959, aus dem Archiv des Evanglischen Kirchenkreises Siegen

- Stadt Siegen,Untere Denkmalbehörde: Denkmalliste Nr. 95, aus dem Kreis-Kirchenamt Siegen.

- Siegener Zeitung vom 7.5.2009/ Siegener Zeitung vom 18.12.2010/ Siegener Zeitung vom 8.8.2012/ Westfalen Rundschau vom 1.8.2015/ Siegener Zeitung vom 20.10.2015, aus der Mediensammlung der Evangelischen Christus-Kirchengemeinde Siegen

Vielen Dank an Herrn Moisel (Kirchenarchiv), Herrn Becker (Autor der Festschrift) und an die Christus-Kirchengemeinde Siegen für die Bereitstellung der Zeitungsartikel.

Interview über die Friedenskirche

Was macht diese Friedenskirche mit den Menschen, die von ihr geprägt und begleitet wurden? Um dieser Frage nachgehen zu können, um eine persönliche Meinung und Gefühle in Erfahrung zu bringen, habe ich ein Interview mit dem Ehepaar Doris und Horst Müller geführt. Sie wohnen in Achenbach und haben die Geschichte der Friedenskirche von Anfang an miterlebt. Mehr noch: Beide kannten schon die Johanneskirche, die auf der Eintracht stand.

D. van Doorn: Wann hatten Sie Ihre erste Begegnung mit der Friedenskirche?

D. Müller: Ich arbeitete seit sechs Wochen als Krankenschwesterlehrling im ehemaligen Jung-Stilling auf der HNO-Station. Horst war dort als Patient. Nach seiner Entlassung hat er im Krankenhaus angerufen und nach mir gefragt. Die Stationsschwester Bertha, eine Diakonisse, hat das Gespräch entgegengenommen. Da hat er michzur Indienststellung der Friedenskirche am Himmelfahrtstag eingeladen. Er erzählte, dass er mit dem CVJM-Männerchor dort singen würde. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. War ja schüchtern. Die Diakonisse hat mir eindringlich gesagt, dass ich da hingehen muss. Also habe ich das getan.

Ich bin also am 7. Mai 1959 um 10 Uhr morgens dort gewesen. Hab mich allein in die letzte Reihe gesetzt. Es war ganz schön voll. Und da hat Horst dort im Chor gesungen. Das war sehr schön. Es hat mir gefallen. Und der Superintendent hat gepredigt. Als der Gottesdienst vorbei war, wusste ich nicht, was ich machen sollte. Da bin ich Richtung Jung-Stilling-Krankenhaus, wo heute die Uni ist, im Hubertusweg, gegangen. Da hat er mich eingeholt. Und wir haben uns verabredet. Und so fing unsere Geschichte an.

H. Müller: Für mich ist die Kirche immer mit der großen Liebe meines Lebens verbunden. Als die Geschichte der Kirche hier anfing, fing auch unsere Liebe an. Dort haben wir geheiratet, unsere Kinder wurden getauft. Jeden Sonntag sind wir in den Gottesdienst gegangen.

D. van Doorn: Was für ein Gefühl hat die Friedenskirche Ihnen gegeben?

D. Müller: Sie ist für uns alle hier in Achenbach ein Zuhause. Wir hatten Stammplätze wie alle Achenbacher. Ein Sonntag ohne Besuch der Friedenskirche war kein Sonntag. Dort haben wir uns getroffen. Kirche und Achenbach waren eins.

H. Müller: Für uns hatte es aber noch etwas ganz Besonderes: Die Einweihung der Kirche und unsere Einweihung – das war eins! Sie ist der Grundstein unseres gemeinsamen Lebens.

D. van Doorn: Was war Ihr schönstes Erlebnis in der Friedenskirche?

D. Müller: Wenn eine Predigt so schön war, dass ich gar nicht mehr aufstehen wollte.Das ist schön.

Und ich erinnere mich an eine trauernde Frau, die am Sonntag nach der Beerdigung ihres Mannes allein in die Friedenskirche kam.. Ich habe mich neben sie gesetzt. Bis heute weiß sie das. Wir haben uns danach unterhalten. Und wir reden immer noch darüber. Sie hat es mir nie vergessen.

H. Müller: Das war es eben auch: Jeder wusste vom anderen. Wenn dann einer nicht da war am Sonntag im Gottesdienst, da hat man gefragt. Und wenn man nicht wusste, was mit dem war, ist immer einer hingegangen und hat gefragt. Das finde ich schön. Da ist man nicht fremd, sondern Familie.

D. van Doorn: Als öffentlich bekannt gemacht wurde, dass die Friedenskirche schließt, was haben Sie da gedacht?

D. und H. Müller: Entrüstet, enttäuscht, wütend!

D. Müller: Wir beide haben alles, was alte Leute tun können, gemacht. Aber es ging alles nicht. Das hat uns so enttäuscht.

Wir haben doch immer schon alles getan. Wir haben gesammelt. Auktionen gemacht. Früher in Beienbach mit dem Mütterkreis. 300 DM haben wir da schon mal an einem Nachmittag bekommen. Es hat aber nicht gereicht. Es war alles viel zu teuer. Wer hätte das gedacht? Wie teuer es ist, sie zu reparieren.

H. Müller: Und dann ging es doch. So viele Jahre haben wir gehofft. Nun gehört sie nicht mehr der Gemeinde.Und der Heimatverein – ja, was machen die eigentlich damit? Gottesdienst können wir da nicht mehr feiern.

D. van Doorn: Was halten Sie davon, dass die Friedenskirche eine Begegnungsstätte für Bedürftige geworden ist bzw. werden soll?

D. Müller: Sie steht da. Und darüber freuen wir uns. Dass sie geblieben ist. Aber es war wohl niemandem wert, dass es für Gottesdienst sein sollte. Im Presbyterium gab es manchmal seeeehr lockere Antworten: Heiß sanieren. Oder nach Rumänien verschenken. Das hat mir nicht gefallen. Ich weiß gar nicht, wann ich denn mal die Möglichkeit habe, da hinein zu gehen.

H. Müller: Das ist die zweitbeste Lösung. Es wäre schöner, wenn wir immer noch Gottesdienst feiern könnten. Aber ja: Wenn es für Menschen zu einem guten Ort wird, ist es ja gut. Aber sie ist nicht mehr unsere Kirche. Wir können nicht mehr rein. Und Gottesdienst können wir dort nicht mehr feiern. Unser Enkelsohn würde so gern dort heiraten.

Und doch ist es gut, dass sie wenigstens noch dort steht.

D. van Doorn: Liebe Frau Müller, lieber Herr Müller, ich danke Ihnen sehr, dass Sie mir von Ihren Gedanken erzählt haben.

i Walter Thiemann: Wenn du ins Feuer gehst, Siegen 1973, S. 17.

iiWalter Thiemann, wenn du ins Feuer gehst, S. 18.

iiiWalter Thiemann, wenn du ins Feuer gehst, S. 18-19.

ivMichael Becker: Von der Eintracht zum Witschert: Die Geschichte der Evangelischen Johannes-und Friedenskirche Siegen 1948-1998, Siegen 1998, S. 10.

vPresbyteriumsprotokoll vom 6.2. 1948, TOP 1, s. 109-110.

viBrief in Handakte Hammerhütte: Johanneskirche, in: Michael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 16.

viiAusschußprotokoll vom 27.7.1948, TOP 2, S. 78f.

viii Brief in Handakte Hammerhütte: Johanneskirche, in Michael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S.18.

ixMichael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 19.

xMichael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 20.

xiBrief der Stadt Siegen an die Evangelische Kirchengemeinde Siegen vom 18.7.1952, in Handakte Hammerhütte: Johanneskirche, in: Michael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 20.

xiiMichael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 21.

xiii Michael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 22.

xiv Michael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S.27.

xvPresbyteriumsprotokoll vom 7.3.1958, TOP 2 d.

xviBrief in Handakte Hammerhütte: Johanneskirche, in: Michael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 27f.

xvii Presbyteriumsprotokoll vom 7.2.1958, TOP 9 a.

xviii Walter Thiemann: Die Kirche auf dem Berge, Siegener Zeitung vom 29.11.1952, in: Michael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 26.

xix Michael Becker: von der Eintracht zum Witschert, S. 26.

xx Presbyteriumsprotokoll vom 11.4.1958, TOP 3 b.

xxiProtokoll des Rechnungsausschusses vom 19.5.1958, TOP I.3 und Anlage vom 8.5.1958, in: Michael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 29.

xxii Presbyteriumsprotokoll vom 10.7.1959, TOP 6 a.

xxiii Michael Becker: von der Eintracht zum Witschert, S.29f.

xxiv Westfalenpost Nr. 217 vom 18.9.1958, in: Michael Becker: von der Eintracht zum Witschert, S. 31.

xxv Michael Becker: von der Eintracht zum Witschert, S. 31f.

xxvi Michael Becker: von der Eintracht zum Witschert, S. 32.

xxvii Presbyteriumsprotokoll vom 16.1.1959, TOP 2 b.

xxviiiMichael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 50f.

xxix Presbyteriumsprotokoll vom 16.1.1959, TOP 2 c.

xxxPresbyteriumsprotokoll vom 16.1.1959, TOP 3 a.

xxxiPresbyteriumsprotokoll vom 16.1.1959, TOP 5 k.

xxxii Michael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 33f.

xxxiii Michael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 34.

xxxiv Michael Becker, von der Eintracht zum Witschert, S. 34f.

xxxv Siegener Zeitung vom 7. 5. 2009.

xxxvi Siegener Zeitung vom 18.12.2010.

xxxvii Siegener Zeitung vom 8.8.2011.

xxxviii Stadt Siegen,Untere Denkmalbehörde: Denkmalliste Nr. 95, aus dem Kreis-Kirchenamt Siegen.

xxxix Westfalen Rundschau vom 1.8.2015 Nr. 176.

xlSiegener Zeitung vom 20.10.2015, Nr. 243.