von Thomas Börger

„Im Winter sind die grauen Mauern zwischen den Zweigen gut zu sehen von der HTS. Um was es sich dabei genau handelt, wissen nur noch wenige.“[i] Dieser Satz beschreibt wohl treffend das, was sich die meisten, die an dem Ehrenmal vorbeikamen, schon einmal gedacht haben. So auch ich.

2017 wurde auf Initiative des Pfarrers der evangelischen Kirchengemeinde, Martin Eerenstein, ein Arbeitskreis mit dem Titel „Den Frieden ehren“ ins Leben gerufen. Ziel sollte die Wiederbelebung der Gedenkstätte unter anderen Vorzeichen des Gedenkens sein. So auch die Umbenennung in das „Mahnmal für den Frieden“. Als Mitglied der Grünen Stadtratsfraktion Siegen und aufgrund meines historischen Interesses hat mich die Fraktion in diesen Arbeitskreis als Mitglied der politischen Ebene berufen. Obwohl Weidenauer Bürger, musste ich mich zuerst darüber informieren, was genau es mit dem sogenannten Kriegerehrenmal auf sich hat, da ich bis zu diesem Zeitpunkt nichts von dessen Existenz wusste. Ich hatte es lediglich mal durch die Bäume gesehen, konnte mir aber keinen Reim auf die Bedeutung machen. Für dieses Projekt habe ich mich an das Scheitern des Arbeitskreises erinnert und wollte einmal genauer nachforschen, wie mit der Gedenkstätte in den letzten 20 Jahren verfahren wurde. Hauptbestandteil des Projektes sind die Äußerungen von Siegener Kommunalpolitiker*innen zu dem Thema, die sich in den Protokollen des Bezirksausschuss II (Siegen-Weidenau), des Kulturausschusses und des Rats seit dem Jahr 2000 finden lassen.

Anfang der 1920er Jahre diskutierte der Weidenauer Stadtrat, damals noch eine eigenständige Gemeinde, über die Errichtung eines Ehrenmals für die Gefallenen des großen Krieges. Sechs Jahre später erfolgte schließlich die Errichtung.

Das Grundgerüst der Gedenkstätte besteht aus fünf Mauern, die in einem Halbkreis angeordnet sind. In der Mitte eines jeden Mauerabschnitts sind Öffnungen eingelassen, die durch Gitterstäbe bestimmte Symbole darstellen. So prangt in der Mitte ein großes Kreuz in der Öffnung, welches die christliche Prägung der in Siegen ansässigen Menschen verkörpert. Das Kreuz steht auch für den Tod und den Verlust, den der Krieg über die Gemeinde Weidenau brachte. Auf der linken Seite ist eine Frau zu sehen, die ein kleines Kind im Arm hält. Die Interpretation der Darstellung als Abbild des Lebens, in Form der Geburt, kommt dem Betrachter als erstes in den Sinn. Auf der rechten Seite finden sich zwei Soldaten, von denen einer im Sterben liegt oder bereits gefallen ist. Das Symbol soll an das Leid der Soldaten erinnern. In der Mitte des aus Mauern bestehenden Grundgerüsts steht auf einer kleinen Erhöhung ein Altar, auf dem eine Gedenktafel montiert wurde. Bis zur Zerstörung der Gedenkstätte, aufgrund von Kampfhandlungen im zweiten Weltkrieg, standen dort die Namen aller im ersten Weltkrieg gefallenen Weidenauer Soldaten. Heute, nach dem Wiederaufbau in den 1950er Jahren, ist dort eine Tafel angebracht, die der gefallenen Soldaten beider Weltkriege gedenkt. Die im zweiten Weltkrieg zerstörten germanischen Wächter, die in Richtung des Altars blickten, sind, aufgrund der Abgrenzung zum NS-Regime, nicht wieder mit aufgebaut worden.[ii] Heute sind viele der Bodenstrukturen nur spärlich zu erkennen, da sie zumeist überwachsen sind. Alte Fotos zeigen aber einen gepflasterten Platz, der von einer knöchelhohen Mauer umgeben war.[iii]

Doch nun zurück in das 21. Jahrhundert. Spätestens mit der Eingliederung der Gemeinde Weidenau in die Stadt Siegen[iv] begann der Prozess des Vergessens. Der nationale Volkstrauertag wurde nun zumeist an Friedhöfen im gesamten Stadtgebiet abgehalten, womit die Weidenauer Gedenkstätte mehr und mehr an Bedeutung verlor. Die Behandlung der Gedenkstätte war mittlerweile nur noch ein Pflegeposten des Siegener Grünflächenamts geworden.[v] Auf Antrag der CDU-Fraktion aus dem Jahr 2000 mit dem Titel „Instandsetzung des Ehrenmals am Haardter Berg“[vi] landete die Gedenkstätte erstmals nach langer Zeit wieder als Thema auf dem Beratungstisch des Weidenauer Bezirksausschusses, wo es in den kommenden 20 Jahren immer mal wieder beraten wurde. Während der Debatte meldete sich das FDP-Mitglied Rudolf Elhardt zu Wort. Elhardt äußerte den Wunsch, „das Ehrenmal künftig als Mahnmal zu bezeich-nen [sic!].“[vii] Eine Debatte darüber blieb jedoch aus. Elhardts Vorschlag wurde vonseiten des Vorsitzenden übergangen. Der Fokus des CDU-Antrags sowie der anderen Debattenteilnehmer lag allein auf der kosmetischen Instandsetzung. Obwohl ein Besichtigungstermin für das Jahr 2001 angesetzt wurde, kam das Thema der Gedenkstätte erst drei Jahre später wieder auf die Tagesordnung. Ob die Besichtigung stattgefunden hat, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Im Jahr 2003 brachte die CDU-Fraktion einen im Wortlaut gleichen Antrag wie 2001 in den Ausschuss ein. Erneut ging es für die CDU und die meisten Anwesenden anderer Fraktionen allein um die Gestaltung und Pflege der Anlage, da sich bis dato kaum etwas am desolaten Zustand der Stätte verändert hatte. Der bereits vorgestellte Rudolf Elhardt bekräftigte erneut seinen Wunsch, „[…] die Gedenkstätte zu einem Mahnmal für alle Opfer von Gewalt zu erweitern und nicht nur den militärischen Gesichtspunkt in den Vordergrund zu stellen“[viii], der jedoch erneut nicht diskutiert wurde. Die eingebrachte Umdeutung der Gedenkstätte wurde vonseiten des SPD-Mitglied und Ausschussvorsitzenden, Detlef Rujanski, lediglich als mögliche spätere Option betrachtet und die Pflege in den Vordergrund gestellt.[ix] Ein Jahr später wurden die Ergebnisse einer erneuten Ortsbesichtigung zusammengestellt, die eher negativ betrachtet wurden. Der Zustand der Anlage wurde als mangelhaft bezeichnet, zudem bedürfe sie einer dringenden Renovierung.[x] Somit ist klar, dass beide CDU-Anträge, trotz positivem Beschluss, folgenlos blieben. Erneut findet sich hier die Anmerkung von Herrn Elhardt, das Ehrenmal in ein Mahnmal umzubenennen. Herr Rothenpieler (CDU) sah die Zuständigkeit einer Umbenennung und Umwidmung eher im Bereich des Kulturausschusses.[xi] Eine Überweisung der Thematik in den Siegener Kulturausschuss blieb jedoch aus. Auch die Freien Demokraten, Elhards Partei, entschlossen sich nicht, einen entsprechenden Antrag im Siegener Kulturausschuss zu stellen. Auch die Verwaltung griff das Thema nicht auf. Eine verwaltungsseitige Vorlage zum Thema blieb aus.

Mit der Kommunalwahl 2004 setzte sich der Weidenauer Bezirksausschuss neu zusammen. Die bisher einzige Stimme für eine Neuordnung des Gedenkens und Abkehr der traditionellen militaristischen Betrachtungsweise in Form eines Mahnmals, Herr Rudolf Elhardt, war nicht mehr vertreten. Somit wurde es zeitweilig still um eine mögliche Umdeutung der Gedenkstätte. Erst 2006, erneut durch einen Antrag der CDU-Fraktion,[xii] rückte die Gedenkstätte ins Gedächtnis der Siegener Politik. Bis zu diesem Antrag fand sich das Mahnmal lediglich als Haushaltsposten, für das immer wieder Gelder für Instandsetzungsmaßnahmen freigegeben wurde.[xiii] Wieder einmal drehte sich das Anliegen der Christdemokraten um die Bezuschussung zur Pflege und Renovierung der Anlage, die über den genannten Haushaltposten hinausgingen. Im Jahr 2006 kam es zu einem vorläufig letzten Versuch der Umdeutung, bis das Thema über ein Jahrzehnt von der Tagesordnung verschwand. Dieses Mal trat ein neues Mitglied im Siegener Bezirksausschuss, Raimund Kleuser, Mitglied der Grünen-Stadtratsfraktion, das Erbe Elhards an und äußerte den Wunsch, das Ehrenmal in Zukunft als Mahnmal zu bezeichnen.[xiv] Doch auch sein Einwand wurde wieder einmal übergangen und in der Tagesordnung fortgefahren.

Anschließend wurde es still um die Gedenkstätte am Haardter Köpfchen, und das bisher fast vergessene Mahnmal versank in der Bedeutungslosigkeit. Zwischen 2006 und 2017 landete das Ehrenmal immer wieder kurz auf der Tagesordnung des Weidenauer Bezirks- sowie des Kulturausschusses der Stadt. Zumeist drehte es sich aber um nicht vollständig abgerufene Mittel für Renovierungen oder sonstige Arbeiten, die vonseiten der politischen Vertreter bemängelt wurden oder um bauliche Sachstandsberichte.[xv]

elf lange Jahre nach der letztmaligen (Nicht-)Befassung eines möglichen Umdenkens in der Erinnerung an die Toten der Weltkriege, rückte die Gedenkstätte erneut in das Gedächtnis der Politik.[xvi] Dieses Mal jedoch aufgrund einer privaten Initiative des Pfarrers der Weidenauer Kirchengemeinde, Martin Eerenstein. Eerenstein gründete im Jahr 2017 einen Arbeitskreis mit Vertreter*innen der kommunalen Politik sowie verschiedenen Kirchengemeinden und öffentlichen Trägern. Das Ziel sollte die Umbenennung des Kriegerehrenmals in das „Weidenauer Mahnmal für den Frieden“ sein. Doch auch dieses Vorhaben sollte nicht erfolgsversprechend sein. Mit der Ratssitzung vom 03 März 2021 wurde der Arbeitskreis „Ehrenmal Weidenau“ aufgelöst und eine mögliche Umbenennung und Umdeutung des Gedenkens vorerst erfolglos beendet.[xvii]


Bildanhang

Verunstalteter Gedenkaltar
Bekritzelter Gedenkaltar

Gitteröffnung links – Mutter mit Kind
Gittermuster Links

Gitteröffnung Mitte – Das Kreuz
Gittermuster Mitte

Gitteröffnung rechts – Soldatenleid
Gitteröffnung rechts

Blick auf die Gedenkstätte
Gedenkstätte

(2022)


[i] Westfalenpost: Vergessenes Ehrenmal in Weidenau soll saniert werden, 10.12.2015 URL: https://www.wp.de/staedte/siegerland/vergessenes-ehrenmal-in-weidenau-soll-saniert-werden-id11368436.html (abgerufen am 01.02.2022).

[ii] Vgl. Ebd.

[iii] Vgl. Thomsen, C.: Neue Zweite Blicke, Siegen 2014, S. 252.

[iv] Stadtarchiv Siegen: Bestand 151/Amt Weidenau, Nr. 3455, Neugliederung des Landkreises Siegen im Jahre 1966 und 1968.

[v] Vgl. Bezirksausschuss II der Stadt Siegen: Öffentliche Niederschrift Bezirksausschuss II – Siegen Weidenau, TOP 4.2, 29.11.2000.

[vi] Ebd.

[vii] Ebd.

[viii] Bezirksausschuss II der Stadt Siegen: Öffentliche Niederschrift Bezirksausschuss II – Siegen Weidenau, TOP 4.1, 11.02.2003.

[ix] Vgl. Ebd.

[x] Bezirksausschuss II der Stadt Siegen: Öffentliche Niederschrift Bezirksausschuss II – Siegen Weidenau, TOP 7, 07.07.2004.

[xi] Vgl. Ebd.

[xii] Bezirksausschuss II der Stadt Siegen: Öffentliche Niederschrift Bezirksausschuss II – Siegen Weidenau, TOP 4.1 „Mittelbereitstellung für die Renovierung der Ehrenmalanlage auf dem Haardter Berg“, 12.12.2006.

[xiii] Bezirksausschuss II der Stadt Siegen: Öffentliche Niederschrift Bezirksausschuss II – Siegen Weidenau, TOP 5 – Unterhaltung der Mahnmale, 19.01.2005.

[xiv] Vgl. Bezirksausschuss II der Stadt Siegen, 2006.

[xv] Vgl. Bezirksausschuss II der Stadt Siegen: Öffentliche Niederschrift Bezirksausschuss II – Siegen Weidenau, Protokolle vom 30.01.2008; 08.11.2010; 08.11.2011; 31.10.2012; 07.11.2013; 30.01.2014; 04.03.2014 und Kulturausschuss der Stadt Siegen: Öffentliche Niederschrift Kulturausschuss vom 18.01.2007; 15.09.2008; 24.11.2011; 02.10.2012; 03.12.2015.

[xvi] Im Jahr 2015 gab es eine Initiative des Weidenauer Heimatvereins, der sich privat mit der Sanierung des Ehrenmals beschäftige. Aufgrund des politischen Fokus dieser Arbeit, wird die private Initiative nicht mit aufgenommen.

[xvii] Vgl. Rat der Stadt Siegen: Öffentliche Niederschrift Rat – Siegen, TOP 16 – Besetzung von Arbeitskreisen, Beiräten und Kommissionen, 03.03.2021.