von Kevin Grüner

Ein neues Stadtbild

„Mit ihrem historischen Stadtgrundriss weist die Hansestadt Attendorn ein charakteristisches mittelalterliches Ortsbild mit Marktplatz, engen Straßen, dichter Bebauung und einer ablesbaren Gebietsumgrenzung (Wallanlage) auf. Geprägt wird der Stadtkern durch die zentrale Anordnung des Sauerländer Doms und des alten Rathauses mit dem Marktplatz innerhalb der ehemaligen Stadtmauer. Diese umgibt mit ihren vier ehemaligen Toren ‚Ennester Tor‘, ‚Kölner Tor‘, ‚Wasser Tor‘ und ‚Niederstes Tor‘ in ihrer historischen Funktion als Ring die Kernstadt.
Durch einheitliche, aufeinander abgestimmte Gestaltungslinien soll die Erfahr- und Erlebbarkeit der Historie von Attendorn verbessert werden.“

So liest sich eine offizielle Mitteilung auf der Website „Attendorn-Innenstadt 2022“ (https://attendorn-innenstadt2022.de/staedtebau-stadtbild-und-freiraumqualitaet/staedtebau-stadtbild/), die eigens zur Berichterstattung über aktuelle Baumaßnahmen in der Stadt eingerichtet wurde. In einer Reihe von Meldungen sowie veranschaulichenden Fotografien und Montagen gewähren die Verantwortlichen der Stadtverwaltung allen Interessierten einen Einblick in vergangene und zukünftige Projekte der Innenstadtmodernisierung, die dieser Erklärung zu urteilen die Stadtgeschichte in Szene setzen sollen. 

Das Jahr 2022 ist dabei nicht willkürlich gewählt, denn wenn die Bauvorhaben zu dieser Zeit ihr planmäßiges Ende finden, jährt sich die Verleihung der Stadtrechte zum 800. Mal. Für 1222 ist dies belegt, und damit einhergehend auch die Vollendung der Stadtmauer. „Bieketurm“ und „Pulverturm“ sind heute die letzten Fragmente des mittelalterlichen Verteidigungsrings, die den Anfang der Geschichte Attendorns als Stadt bezeugen. Welche Tragweite diese Ehre aus alten Tagen hatte, wie sehr Attendorn von dieser Verordnung aus der Erzbistumstadt Köln in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten profitierte, ist aus unserer modernen Perspektive kaum zu erahnen; so ist mehrere Jahrhunderte später ein Verständnis um das mittelalterliche Stadtrecht - und was es konkret für die Leben der Menschen jener Zeit bedeutete - verblasst. Nicht nur war es ihnen fortan gestattet, einen Verteidigungswall zu errichten und damit ihre Sicherheit entscheidend zu verbessern, auch der Wirtschaft spielte diese Verleihung zu: Die nun unabhängige städtische Handels- und Gewerbetätigkeit bescherte den Bürgern Wohlstand und die juristische Unabhängigkeit sowie der besondere Schutz vor fremder Gerichtsbarkeit machten das Attendorner Bürgerrecht in der Region begehrt. Der stetige Zustrom all derjenigen, die auf diese Begünstigung hofften, beschleunigte das Bevölkerungswachstum entscheidend. 

Auf der Verleihung des Stadtrechts begründet sich die gesamte weitere Geschichte Attendorns. Im öffentlichen Raum begegnen uns Straßennamen und vielzählige Sakral- und Profanbauten unter Denkmalschutz, die bis in unsere Gegenwart ungebrochen von dieser mittelalterlichen Vergangenheit erzählen, und auch Karneval, Osterbrauchtum und Schützenfest knüpfen gern an Traditionen an, die in ihrem Kern Jahrhunderte alt sind. Doch bei all dem stellt sich die Frage nach jenen historischen Zeugnissen, die wir im Alltag übersehen - schließlich können unsere modernen Volksfeste und Feiertage, restaurierte Fachwerkhäuser und Straßennamen allein die Geschichte nicht rekonstruieren. 

Zum Glück sind die sichtbaren Überreste nur ein Teil dessen, was heute noch im Stadtbild Vergangenes bezeugt, denn sobald ein neues Bauprojekt in Attendorn seinen Lauf nimmt, scheint sich stets eine zweite Stadt aufzutun – wenige Meter tiefer, aber viele Jahrhunderte älter. Plötzlich erweckt es den Eindruck, als könne man direkt ins Mittelalter zurückblicken. Doch scheint man sich an dem Spiegelbild aus fremder Zeit schnell sattgesehen zu haben, so drängt stets die Realität unserer Gegenwart: Um Bautermine einzuhalten, räumt man der historisch-archäologischen Untersuchung nur wenige Tage ein. Ideen, die Funde auszustellen oder stimmig ins Stadtbild zu fügen, haben keine Gelegenheit, zu wachsen. Unter Rücksichtnahme von Finanzierung und Zeitplanung birgt wohl jedes Abweichen von einmal verabschiedeten Bauunternehmungen ein gewisses Risiko. Alle Überlegungen einer Erhaltung und Präsentation aufgekommener Funde stehen im Konflikt zu den Modernisierungsvorhaben und ihren Verbindlichkeiten. Ob dieses Aufreißen und Zuschütten mittelalterlicher Überreste zugunsten neuer Gewerbe- und Wohngebäude, größerer Parkplätze, einem rationalisierten Verkehrsfluss und allgemein erhöhter Attraktivität gerechtfertigt ist, steht aber nach wie vor offen. Sollte eine Wiedereingliederung dieser alten Bausubstanz ins Stadtbild so prinzipiell ausgeschlossen werden? Könnte dies nicht langfristig zur Attraktivität beitragen? Im Wesentlichen verliehe es dem Stadtbild mehr Identität. 

Schnell stellt sich heraus, bei den alten Baufunden geht es nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch um die Zukunft. Wenn die Erhaltung von Bausubstanzen der Umgestaltung des Stadtzentrums im Wege steht und andersherum, so sollte es der Anspruch Aller sein, einen umfassenden Kompromiss zu schaffen, der beide Seiten berücksichtigt. Möglicherweise lassen sie sich aufeinander abstimmen, also wenn die Geschichte nicht nur Zeugnis über die Vergangenheit ablegt, sondern selbst zur Attraktion wird, und neue Bauten die Alten konservierend integrieren. Voraussetzung dafür ist eine gründliche historisch-archäologische Untersuchung: Handelt es sich überhaupt um einen wertvollen Fund, oder darf zur Beurteilung auch der Maßstab touristischer Attraktivität angelegt werden? Über all dem schwebt die Frage nach dem Geld: Gibt es Chancen auf staatliche Mittel oder andere zufriedenstellende Modelle, die diese Ambitionen überhaupt erst ermöglichen? Auch die Geschichte von Attendorn muss erzählt werden, um den archäologischen Funden Kontext zu verleihen und verständlicher zu machen, welche Bedeutung alten Mauern, Häusern, Toren und Brunnen tatsächlich zukommt. Einige Beispiele aus anderen Städten, sowie das Gespräch mit einer verantwortlichen Archäologin eröffnen hoffentlich neue Perspektiven zu Mehrwert und Realisierbarkeit möglicher Denkmäler. Vielleicht können dann schon heute alle Fragen beantwortet werden, die sich Anwohnerinnen und Anwohner sowie Verantwortliche bei der Entdeckung einer weiteren archäologischen Stätte im Stadtkern in Zukunft stellen mögen. Denn eines steht fest: So lange wie im historischen Stadtkern Tiefbauarbeiten stattfinden, wird sich im Boden ein Stück Geschichte auftun.


Die Stadt unter der Stadt

Ruft man sich das gegenwärtige Attendorn ins Gedächtnis, so wie man es dieser Tage durchquert, dürften Baustellen schnell vor dem inneren Auge aufkommen. Kaum ein Weg führt durch die Straßen des Zentrums, der nicht von Rohbauten von Wohn- und Gewerbegebäuden oder offenen Straßen umspannt ist. Fest steht, dass schon jetzt breitere Fußgängerwege, Sitzbänke und neue Einbahnstraßen den Menschen zu Fuß mehr Platz einräumen und den innerstädtischen Verkehr entschleunigen. Dennoch muss dabei stets die historische Bausubstanz weichen, die darunter zum Vorschein kommt.

Abb 1
Abb. 1
Abb 2
Abb. 2
 

Besondere Aufmerksamkeit verdienen alle Bauarbeiten um das ehemalige Ennester Tor, so etwa 2015 im Falle der Neuanlegung des Parkplatzes vor dem Feuerteich - hinweisgebend auf das einstige gleichnamige Wasserreservat, das der Stadtmauer vorgelagert war und zur Brandbekämpfung diente. Dort wurden Teile ebendieser Mauer (Abb. 1, die beiden südlichsten Linien) freigelegt, die zum ersten Mal seit Jahrhunderten wieder ihren Verlauf exakt nachvollziehbar machten und mit den historischen Karten übereinstimmen (Abb. 2, detaillierte Ansicht des Verteidigungsrings). Auch eine Theorie über den genauen Aufbau ließ sich bei ihrer partiellen Freilegung bestätigen: Noch vor dem eigentlichen Wall lag die sogenannte Kontereskarpe (Abb. 1, nördlichste Linie), die mit der Stadtmauer einen Graben einschloss und allen Angreifern, die ihn einmal betreten hatten, die Flucht erschwerte. Mittlerweile erinnern genau wie vor den Entdeckungen nichts weiter als historische Darstellungen und die Aufzeichnungen der Archäologinnen und Archäologen an den genauen Verlauf und die Funktion der Attendorner Verteidigungsanlagen, denn die Funde wurden in der Erde belassen und vor Ort nicht weiter kenntlich gemacht.

Während der Tiefbauarbeiten zur Errichtung eines Kreisverkehrs von 2016 am ehemaligen Ennester Tor traten vermutlich Teile einer gemauerten Rampe des Stadttores (Abb. 1, vertikale Markierungen) zu Tage und bestätigten erneut die historischen Karten (Abb. 2, „Ennester Tor“). Stadttore sind dabei als einer der entscheidenden Orte der lokalen Geschichte auszumachen, so bilden sie einerseits einen Teil der Mauer, die die Einwohnerinnen und Einwohner vor existentiellen Gefahren schützte, und waren andererseits ein Angelpunkt und erster Eindruck für Händler von Nah und Fern, deren Geschäfte die wirtschaftliche Prosperität gewährleisteten und Menschen in die Region zogen. Sollte es sich tatsächlich um eine Zufahrtsrampe mit schützender Mauer handeln, reichte die Verteidigungsanlage über das funktionale Minimum hinaus und deutet auf eine übergeordnete Bedeutung innerhalb der Region hin, die sich im Folgenden nur noch weiter bestätigen wird. Andere Dinge bleiben hingegen völlig offen: Die Funktion eines weiteren Überrestes innerhalb des Mauerzuges unweit des Tores bleibt unbeantwortet (Abb. 1, rote Markierung südlich des Ennester Tors). Nach drei Tagen der Untersuchung wurden die Bauarbeiten planmäßig fortgesetzt und die archäologische Stätte wieder bedeckt. 

In der Straße „Torenkasten“ kamen 2017 unmittelbar unter der Oberfläche mehrere Hausfundamente zum Vorschein, deren Details das Leben innerhalb des Walls erahnen ließen. Der Straßenname selbst deutet auf die Funktion der einstigen Gebäude hin: In einem Torenkasten wurden Menschen für kleinere Vergehen zur Schau gestellt. Die Strafmaßnahme zielte auf die Ehrverletzung des zu bestrafenden Stadtbewohners oder der Bewohnerin ab. Die Fundamente würden also zu Gebäuden der Gerichtsbarkeit zählen und wären damit keine einfachen Wohnhäuser, doch auch hier gilt: Gesichert ist nichts. Heute überragt der Bau eines Gewerbe- und Wohngebäudes der Provinzial Versicherung den Standort der Häusergruppe. 

In jedem der hier aufgeführten Fälle werden die eingangs gesetzten Ziele der neuen Bauvorhaben priorisiert. Den Funden wurde zwar ein Untersuchungszeitraum eingeräumt, wie es das Gesetz vorsieht, doch hindert dieses enge Zeitfenster den öffentlichen Diskurs über alternative Ideen fernab des raschen Zuschüttens. Ob die Bausubstanz für die Erhaltung oder Ausstellung geeignet ist, wurde bislang im kleinen Kreis und immer zu Ungunsten der Stadtgeschichte entschieden. Daher gilt es zu klären, welche Entscheidungsprozesse die archäologischen Stätten durchlaufen und ob eine Erhaltung überhaupt wissenschaftlich sinnvoll ist. Welche Schlüsse lassen sich zunächst aus der Literatur ziehen? Ausgewählte Momente der Stadthistorie erzählen die Geschichte der verbliebenen Fundamente und führen an ihre einstige politische und wirtschaftliche Dimension heran.


Ein langer Weg nach 2022

Die Geschichte von Attendorn setzt nicht etwa vor 800 Jahren mit der Verleihung der Stadtrechte ein, denn dauerhafte Siedlungen existierten hier schon lange vorher. Diese sind mit der günstigen Lage auf bedeutenden Langstreckenhandelsrouten zu erklären; so durchzogen das Gebiet dereinst die Königsstraße und die Heidenstraße, von denen die erste zwischen Soest, dem Münsterland und dem Ruhrgebiet durch Attendorn bis nach Frankfurt, und die zweite zwischen Köln, Kassel und Leipzig verlief. Der Heidenstraße wird ihrem Namen entsprechend eine Nutzung seit der Latènezeit nachgesagt, in der noch keltische Stämme weite Teile Europas bewohnten. Im Gemeindegebiet Attendorn geben Befunde tatsächlich Aufschluss über Siedlungen, die aus dieser Zeit stammen und sicherlich an das weite Handelsnetz angeknüpft waren (siehe dazu: https://www.lwl.org/pressemitteilungen/nr_mitteilung.php?urlID=45701, https://www.lwl.org/pressemitteilungen/nr_mitteilung.php?urlID=47688). 

Erst wieder im frühen neunten Jahrhundert zur Zeit Karls des Großen finden sich die nächsten Spuren, als auf dem heutigen Stadtgebiet wahrscheinlich eine Urpfarrei bestand. Darunter sind frühmittelalterliche kirchliche Zentren jenseits der römisch-christlichen Kultur zu verstehen, die in noch nicht christianisierten Regionen missionarischen Einfluss üben sollten. Erstmals urkundlich erwähnt wird Attendorn 1072: In der Stiftungsurkunde des Klosters Grafschaft bei Schmallenberg werden der Abtei Rechte an einem Hof in „Attandarra“ eingeräumt (Seibertz, Johann Suibert: „Urkundenbuch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen. Erster Band. 799-1300.“, Arnsberg 1839, S. 32 f.). Bis zur Verleihung der Stadtrechte im 13. Jahrhundert muss die Ortschaft stabiles Wachstum und zunehmende Bedeutung erfahren haben, so ist in der Stadtrechtsurkunde von 1222 bereits die Rede von fertig errichteten Schutzbauten mitsamt Gräben, deren Bau in der Regel erst mit der Erwerbung der Stadtrechte geboten, in diesem Fall aber schon abgeschlossen war (Seibertz I, S. 217 f.). Es zeichnet sich also ein existentieller Bedarf für eine Stadtmauer ab, der bei Betrachtung gleichzeitiger territorialer Fehden auch nachvollziehbar wird: Attendorn, das dem Erzbistum Köln zugehörig war, bildete eine der vielen Exklaven, die sich mit ihren Verteidigungsanlagen gegen benachbarte Territorien, in diesem Fall die Grafschaft Mark, behaupten musste. Ein Blick auf die politische Situation des 13. Jahrhunderts (Abb. 3) demonstriert die isolierte Stellung - hier violett als dem Erzbistum Köln zugehörig - und die Notwendigkeit einer Befestigung.

Abb 3
Abb. 3
Abb 4
Abb. 4
 

10x5000Territorialansprüche des Erzbischofs an der Grafschaft Mark führten mehrere Fehden mit sich, bei der Köln 1289 unterlag und zur Sicherung eines Sühnevertrags von 12.000 Mark vier Burgen verpfänden musste, darunter die Waldenburg, am heutigen Biggesee gelegen (Lacomblet, Theodor Joseph: „Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins. Zweiter Band von dem Jahr 1201 bis 1300 einschliesslich.“, Schönian‘sche Buchhandlung, Düsseldorf 1846, Nr. 865). Dies hatte den Ausbau der Burg Schnellenberg zur Folge, die heute noch – im Gegensatz zur Waldenburg - intakt ist. Die Wehrhaftigkeit der Region war für ihre mittelalterlichen Machthaber auch später noch relevant: 1371 formuliert etwa ein Erlass aus Köln die Erhebung einer Wein- und Braumalzsteuer für sechs Jahre (Brunabend, Josef: „Attendorn, Schnellenberg, Waldenburg und Ewig. Ein Beitrag zur Geschichte Westfalens“, 2. Aufl., Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, Münster 1958, S. 297 f.), von der für 1394 eine Erneuerung für weitere sechs Jahre bekannt ist (Brunabend, S. 314 f.). Ziel war es, mit dem Geld die Instandhaltung und Ausbesserung der Stadtmauer zu gewährleisten. Auch wenn sich aus dieser Zeit nichts über den Zustand der Wallanlage in Erfahrung bringen lässt, so muss ihr - und damit Attendorn als wehrhaftes Grenzgebiet - aus kölnischer Sicht eine tragende Bedeutung zugekommen sein. In Verteidigungsfragen war Attendorn noch jahrhundertelang erfolgreich. Im Dreißigjährigen Krieg konnte eine Eroberung durch die Schweden abgewendet werden. Die „Schwedentafel“ (Abb. 4) dokumentiert diesen Sieg und bietet eine der detailliertesten Ansichten der Stadtmauer. 

Auch wenn die Wallanlage ihren Zweck erfüllte, war es die Wirtschaft, die die Stadt am Leben hielt. Getragen wurde diese von den Zünften der Schmiede, Schuhmacher, Bäcker, Fleischhauer, Schneider und Krämer, aber hauptsächlich durch die der Weber, die ihre Tuch- und Wollwaren durch Kaufmannsnetzwerke der Hanse über weite Entfernungen verkauften. Die Hanse spielte für Attendorn im Hoch- und Spätmittelalter eine entscheidende Rolle; so entstammt bereits das Stadtrecht der Vorlage der Hansestadt Soest, welches wiederum die erste Ausfertigung eines deutschen Stadtrechts ist und etwa 60 Städten im westfälischen und niederdeutschen Raum zuteilwurde, darunter Lübeck 1160, Siegen 1303 und Olpe 1311. Attendorn erlangt 1374 weitere Privilegien: Für Schulden und Bürgschaften von außerhalb der Stadt dürfen Attendorner Bürger in ihrem beheimateten Rechtsraum nicht mehr verhaftet werden. Auch darf städtisches Erbgut nur unter besonderer Bevollmächtigung durch den Erzbischof an Auswärtige übertragen werden (Seibertz II, S. 613 ff.). Die Bürgerschaft konnte also weitere entscheidende Rechtssicherheiten für sich erwirken, die die Stadt auch wirtschaftlich vor äußeren Einflüssen und Zugriffen schützen sollte. 

Exemplarisch für eine wirtschaftlich und politisch starke, gut vernetzte Bürgerschaft sind einzelne Attendorner Karrieren. Seit ihrer Mitwirkung in den Hansischen Kaufmannsbünden wohl seit dem 13. Jahrhundert (Brunabend, S. 14 f.) gelang es einigen Bürgern und ihren Nachkommen, außerhalb der Heimatstadt politische Schlüsselpositionen zu besetzen und weitreichende Handelsbeziehungen aufzubauen. In den ältesten erhaltenen Listen wahlberechtigter Kölner Bürger finden sich etwa Henricus, Requinus und Johannes „de Attinderne“ (von Detten, Georg: „Die Hansa der Westfalen. Ein Bild der Gewerbe- und Handelstätigkeit unserer Landsleute im Mittelalter“, Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, Münster 1897, S. 137), einer weiteren mittelalterlichen Namensvariante. Besonders in Lübeck taucht eine signifikante Anzahl von Personen mit dieser Herkunftsbezeichnung auf: Neben zahlreichen Ratsherren war etwa „Volmarus de Attenderren“ 1286 und 1289 Kammerherr der lange bedeutendsten Hansestadt (Fahne, Anton: „Die Westphalen in Lübeck“, Köln/Bonn 1855, S. 53) und „Konrad von Attendorn“ 1324 bis 1339 Bürgermeister (Fehling, Emil Ferdinand: „Lübeckische Ratslinie von den Anfängen der Stadt bis auf die Gegenwart“, in: „Veröffentlichungen zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck“, Verlag Max Schmidt-Römhild, Lübeck 1925, S. 25). Weitere Spuren von Attendorner Kaufleuten an der Ostsee reichen von Danzig womöglich bis nach Riga (Brunabend, S. 27) im heutigen Lettland, das damals zum Deutschordensstaat gehörte. Von übergeordneter Bedeutung waren die Handelsbeziehungen nach England, das als europaweiter Umschlagplatz für Textilwaren bekannt war. Die Kaufleute von Attendorn schlossen sich spätestens im 14. Jahrhundert zur Confraternität St. Nicolai zusammen, um aufwendige und kostspielige Handelsreisen gemeinsam zu organisieren. Dementsprechend wählten sie St. Nikolaus als ihren Patron, der auch als Schutzheiliger der Seefahrer und Kaufleute gilt. Auch Erzbischof Heinrich hebt 1328 ihren regen Kontakt zum Königreich England hervor (Seibertz II, S. 235). 

Trotz allem kommt Attendorn als Stadt nie eine herausragende Bedeutung zu - stattdessen sind es einzelne Kaufleute und ihre Familien, die vom Rheinland bis ins Baltikum erfolgreich waren. Die Geschichte von Attendorn erscheint wie die vieler kleiner Hansestädte. Es ist kein Aspekt auszumachen, der unter historischen Gesichtspunkten überregionale Aufmerksamkeit wert wäre. Die europaweite Vernetzung vor so vielen Jahrhunderten mag heute eindrucksvoll erscheinen, doch gehörte sie bereits im Mittelalter zum Alltag der Kaufleute. Die Vielzahl an Handels- und Umschlagplätzen, die miteinander in Kontakt standen, bedingten überhaupt erst das Funktionieren des Handels über weite Distanzen und sind kein modernes Konzept. Auch Attendorn ist in diesem Netzwerk damit nur eine Stadt unter vielen. Zahlreiche westfälische Städte übernahmen das Stadtrecht nach Soester Vorbild und ließen sich wie auch Attendorn auf den Hansetagen durch Soest nur vertreten (Brunabend, S. 24). Zu lokal begrenzt waren die Belange von Hansestädten der Größenordnung von Attendorn, als dass man sie auf den Hansetagen - zu denen immerhin Vertreter aus dem niederdeutschen, polnischen und livländischen Raum geladen waren, um Belange gesamteuropäischer Reichweite zu diskutieren - sinnhaft hätte vorbringen können. Stattdessen ist davon auszugehen, dass Attendorn nicht einmal am Beisitz interessiert war. Die Mitwirkung in der Hanse, die in ihrer Frühform mehr noch Kaufmannsbund und erst später vornehmlich als Städtebund bekannt war, begünstigte die Karrieren einzelner Familien, die jedoch den Status ihrer Heimatstädte nur begrenzt heben konnten. Sich heute aus Attendorn auf die Hanse zu berufen und in die Tradition dieses historischen wirtschaftlichen Bestrebens zu stellen, ist wohl legitim, funktioniert aber für zahlreiche Gemeinden in Westfalen und ganz Deutschland, die seit dem Mittelalter Stadtrechte besitzen, und ist damit kein Alleinstellungsmerkmal. Auch für die fragmentarisch erhaltene mittelalterliche Bausubstanz lässt sich hier nichts herausarbeiten, das glaubwürdig für eine Konservierung angeführt werden könnte. Nicht nur die Schwierigkeit der Identifikation aller Funde stellt sich als Problem heraus – auch ist keine wirkliche Besonderheit zu erwarten.


Erfahrungen berücksichtigen

Selbst wenn aber die Geschichte von Kleinstädten wie Attendorn aus wissenschaftlicher Perspektive nicht herausragend ist, besitzen historische Überbleibsel gleich welchen Wertes nicht eine Anziehungskraft, die vielleicht keine präzisen wissenschaftlichen Aussagen zulassen, dafür aber Alltags- und Regionalgeschichte ins Gedächtnis rufen und einen Ort ästhetisch entscheidend aufwerten können? Wie ließe sich eine Konservierung von Bodendenkmälern mitten in der Stadt bewerkstelligen, wie sehen konkrete Beispiele aus?

Attendorn reiht sich in eine Vielzahl weiterer Städte ein, in denen das Für und Wider von Erhaltung historischer Überreste abgewägt werden musste. Die Entscheidung zugunsten eines Erhalts ist in solchen Fällen leichter, in denen die Substanz weitgehend intakt ist. Doch in Attendorn geht es um archäologische Funde, die jahrhundertelang ungesehen in der Erde ruhten und denen nur noch geschulte Augen nach eingehender Beurteilung ihre einstige Funktion ablesen können; für alle anderen bleiben die Steinfundamente abstrakt, wie auf Abbildung fünf zu sehen in Attendorn auf dem zuvor beschriebenen Bauplatz Breite Techt, auf dem ein neues Gewerbe- und Wohngebäude der Westfälischen Provinzial Versicherungsgruppe entstanden ist.

Abb 5
Abb. 5
 

Die wissenschaftliche Qualität der Bausubstanz scheint kaum mehr ausschlaggebend. Der Mehrwert der Verteidigungsanlagen und Altstadtfragmente ist nicht signifikant genug, um ihn prinzipiell gegenwärtigen und zukünftigen Baumaßnahmen überzuordnen, doch für die Rettung dieser Funde kann man pragmatisch argumentieren: Vielleicht liegt eine hinreichende Grundlage vor, wenn die Integration in die moderne Stadt ohne große Einbußen von Baufläche und Finanzmitteln umsetzbar ist und man dabei das Stadtbild ansprechender gestaltet. Belässt man die Überreste an ihrem originalen Fundort, der im Vergleich zur modernen Stadt heute mehrere Meter tiefer liegt, wäre das Gelände entsprechend abzugrenzen. Bei Betrachtung bisheriger Funde in Attendorn ist aber ersichtlich, dass umzäunte, freie Gelände keineswegs unter Berücksichtigung von Straßenläufen und bestehenden oder geplanten Gebäuden zu realisieren sind. Eine Verglasung funktioniert stattdessen auch innerhalb von Gebäuden oder auf verkehrsfreien Straßen und Wegen. Dies wäre besonders dem prominentesten Fall in Attendorn zugutegekommen: Die Reste des Ennester Stadttors befinden sich im Bereich des heutigen Kreisverkehrs der Ennester Straße, dessen Verkehrsinsel und angrenzende Fußgängerzonen einen Einblick in den Verlauf der einstigen Stadtbefestigung hätten geben können. Selbst die Tiefgarage des Gebäudes der Provinzial hätte theoretisch zugunsten der Gebäudefundamente unter einem Glasboden wegfallen können. 

Abb 6
Abb. 6
Abb 7
Abb. 7
 

Zahlreiche Fundstätten liefern anschauliche Beispiele: Vernachlässigt man die ungleich höhere Anziehungskraft und historische Bedeutung etwa römischer Archäologie gegenüber Attendorn, so trifft das auf Xanten zu, wo die Spuren des einstigen Kastells unter Glasböden anschaulich zu betrachten und zu begehen sind (Abb. 6).

Das Jorvik Viking Centre im englischen York wurde auf der Coppergate Ausgrabungsstätte mit Hinterlassenschaften der dänischen Eroberer errichtet und an entsprechenden Stellen mit verglastem Boden versehen, um die Siedlungsspuren nachvollziehen zu können (Abb. 7).

Auch wenn diese Projekte in Attendorn theoretisch umsetzbar sind, ist die historische Bedeutung nicht mit der von Xanten oder York zu vergleichen und damit muss auch der Sinn solcher Unternehmungen in Frage gestellt werden. Wenn für eine exemplarische Konservierung von historischen Stätten erst der ferne Blick in die Zeit der Römer oder nach Nordengland vorgenommen werden muss, erscheint es unverhältnismäßig, etwas Ähnliches in Attendorn umsetzen zu wollen. Könnte man in der Attendorner Innenstadt mittelalterliche Wallruinen durch einen Glasboden betrachten, läge die Vermutung nahe, hier wurde Weltgeschichte geschrieben. Eine kurze Kontextualisierung der Funde mithilfe der Stadtgeschichte hat gezeigt: Dafür hat es gewiss nicht gereicht.


Mit professionellem Blick

Bei allen Spekulationen sollte aber die Bewertung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausschlaggebend sein. In Nordrhein-Westfalen kommt das Tagesgeschäft der Bodendenkmalpflege und Archäologie den Unteren Denkmalbehörden zu, dem „LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland“, der „LWL-Archäologie für Südwestfalen“ sowie der Stadt Köln. Die Fachbereiche fallen unter die kommunale Selbstverwaltung und finanzieren sich durch öffentliche Abgaben sowie Landesmittel. Grundlage ihrer Arbeit ist das Denkmalschutzgesetz NRW. Sie begleiten Baustellen, in denen archäologische Funde und Befunde zu erwarten sind oder bereits entdeckt wurden, inventarisieren, erstellen Gutachten, beraten Grundstückseigentümer sowie archäologische Fach- und Baufirmen, betreiben aber auch eigene Forschungen. Die privatwirtschaftlichen Fachfirmen kommen unter Aufsicht der Fachämter zum Einsatz, welche dabei auch die Entscheidungsgewalt in den archäologischen Belangen innehaben. Hinzu kommt ein Netzwerk aus Ehrenamtlichen und Kommunalarchäologen, das etwa erste Hinweise auf zu untersuchende Stellen liefert oder Entwicklungen vor Ort beobachtet. LVR und LWL sind durch Außenstellen vertreten. In Westfalen-Lippe gliedern sich diese anhand der Regierungsbezirke in die drei Standorte Münster, Bielefeld für Detmold sowie Olpe für Arnsberg. Attendorn fällt als Nachbarstadt von Olpe in deren Einzugsgebiet. 

Seit einigen Jahren begleitet die wissenschaftliche Referentin Dr. Eva Cichy die im historischen Ortskern von Attendorn betriebenen Baustellen und steuert eine Perspektive bei, die sich bereits abzeichnete: Die Frage nach dem Erhalt beziehungsweise der Sichtbarmachung archäologischer Funde stelle sich eigentlich nicht; so schätzen die verantwortlichen Archäologinnen und Archäologen die Überreste nicht als „Denkmal von besonderer Bedeutung“ ein, wie es im Denkmalschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen formuliert ist. Erst dann gehen sie in die Hand des Landes über, welches als Eigentümer für die Instandhaltung aufkommen muss (DSchG NRW, § 17). In diesem Fall jedoch wären am Ennester Tor die Stadt und in der Breiten Techt die örtliche Provinzial Versicherung Träger konservierender Maßnahmen, diese allein könnten solche Projekte aber kaum tragen. Ambitionen, die Funde angemessen zu konservieren und zu präsentieren, scheitern an den Fragen nach Kosten, Aufwand und Zweck: „Wie viel vom Ennester Tor hätte noch freigelegt und an der Oberfläche umgebaut werden müssen, um ein ‚archäologisches Fenster‘ zu haben, das aussagekräftig und authentisch die Vergangenheit bezeugt?“, so Cichy weiter. „Könnte ein einzelnes Mauerfragment das leisten, oder zerstreute sich das Interesse daran nicht allzu schnell?“ Ähnliches gelte für die Hausfundamente in der Breiten Techt. Könne ein nur von Kunden frequentiertes Bankgebäude wirklich ein touristischer Anziehungspunkt sein? Wissenschaftlich handele es sich um keine „Volltreffer“, die genug historischen Mehrwert beimischten, um all dies noch zu rechtfertigen. Überhaupt sei eine eindeutige Identifizierung nach jetzigem Kenntnisstand schwierig: Die Ergebnisse an der Breiten Techt würden noch immer ausgewertet und am Ennester Tor können die Teilstücke nicht mit absoluter Sicherheit identifiziert werden, etwa als Teil einer Rampe oder eines Tores. Im Idealfall bliebe das alles für die Nachwelt erhalten, doch eine kurze Abwägung von Kosten und Nutzen ließe diesen Schluss kaum zu. Für die Archäologinnen und Archäologen ist daher in diesen Fällen das Ruhen der Funde unter der Erde ideal. Wird aber der Boden darüber geöffnet und die Erde bewegt, ist der Ursprungszustand gestört und verfälscht; nur geschlossen ist die Stätte intakt. Bei der Arbeit des LWL ging es vielmehr um die Inventarisierung und Dokumentierung dessen, was bald völlig unkenntlich sein würde, als es etwa für eine Aufwertung zum Denkmal vorzubereiten, denn schon im Vorfeld deutete nichts auf eine herausragende Qualität der Bausubstanz hin. Archäologische Untersuchungen implizieren also keinen Sensationsfund, stattdessen ist auch Attendorn nur Teil der Tagesordnung. Wenn die Bewertung dieser Entdeckungen für den äußeren Betrachter auch schnell vonstattenging, so ist es ein gewöhnliches Vorgehen. Die Arbeiten mögen angesichts der drei Tage am Ennester Tor von außen betrachtet zeitlich zu knapp bemessen erscheinen, doch sei im Gegenteil die Kooperation mit der Stadt zu loben: „Nicht immer können wir uns auf akribische Meldungen jedes Fundes verlassen, oder gar auf solches Entgegenkommen beim Freilegen der zu untersuchenden Stellen, noch über die gesetzlichen Verbindlichkeiten hinaus. Ein noch größeres Gelände hätte vielleicht mehr Rückschlüsse zugelassen, die Mauerzüge aber in ihrer gesamten Länge freizulegen, hieße, die gesamte Stadt umzugraben. Im Rahmen des Möglichen hatten wir also gute Bedingungen“. 

Der Schlussstrich muss also positiver ausfallen, als eingangs noch vermutet. Denn auch wenn am Ende kein sichtbares Zeugnis der Vergangenheit seinen Weg an die Oberfläche gefunden hat - die finanziellen und organisatorischen Mittel wurden erschöpft und ein paar Lücken in der Geschichte geschlossen. Heute sind Aufbau und Verlauf der alten Stadtmauer über eine gewisse Länge genau nachvollziehbar, doch auch zukünftige Untersuchungen werden entscheidend sein, den mittelalterlichen Stadtkern besser zu verstehen und die offen gebliebenen Fragen vielleicht zu beantworten. Dafür aber aus wissenschaftlicher Initiative den Boden zu öffnen, wäre übermotiviert.


Die Zukunft der Vergangenheit – was bleibt uns?

Natürlich können Mauerfragmente und Hausfundamente Eckpunkte sein, anhand derer man ein vages Bild der Vergangenheit zeichnet. Denn ganz gleich in welchem Zustand, sie beleuchten über Jahrhunderte zurückliegende Entwicklungen, die bis heute wirken – so etwa die Wallanlage, die einhergehend mit dem Stadtrecht die weitere Entwicklung Attendorns erst bedingt hat. Sie steht für Sicherheitsbestrebungen einer Bürgerschaft, von ihrem Leben innerhalb und ihren Beziehungen außerhalb der Mauern. Ein Zeugnis mittelalterlicher Geschichte, welches heute abstrakt erscheint, würde mit der nötigen Inszenierung und Kontextualisierung wieder erfahrbar werden und den langen Weg in die Gegenwart beleuchten. Es soll nicht der Eindruck entstehen, die Funde und ihre Geschichte seien am Ende wertlos. 

Dennoch scheitert die Idee dieses Konservierens an der Realität. Die Qualität der Bausubstanz ist in keinem Fall hoch genug, als dass Erhaltungsmaßnahmen ernsthaft zu erwägen sind und man auf private oder staatliche Investitionen hoffen könnte. Auch wird die nur lückenhaft mögliche Benennung einzelner Funde und ihre verminderte historische Aussagekraft zum Problem, wenn sie nur noch dekoratives Element sind, das zwar für die Vergangenheit steht, aber nichts Präzises über diese aussagt. Bei all der Erde und den Anregungen, die die Tiefbauarbeiten aufgewühlt haben, gilt es nun, beides wieder zu begraben - zumindest teilweise. Obwohl Sensationen ausgeblieben sind und alle Ambitionen zur Konservierung den finanziellen Rahmen sprengen, muss man nicht das öffentliche Bewusstsein für Geschichte gleich mit begraben. 

Wenn die Neugestaltung der Innenstadt 800 Jahre nach Verleihung der Stadtrechte so sehr im Zeichen der Vergangenheit wie dem der Zukunft stehen soll, erscheint zumindest jede Diskussion darüber angemessen. Die Sichtbarkeit eines historischen Walls ließe sich etwa auch nach Olper Vorbild umsetzen: Dort ist der Verlauf anhand einer in den Boden eingelassenen Metallschiene nachvollziehbar. Immerhin, auch in Attendorn erinnern auf dem Rathausvorplatz mittlerweile Bodenmarkierungen an die Grundrisse des einstigen Franziskanerklosters zusammen mit seinem erhaltenen Portal. Diese Idee ließe sich auf weitere historische Stätten anwenden und vielleicht kann man Stadtmauer und mittelalterliches Leben so wieder mehr ins Bewusstsein rücken und eine Brücke in die Vergangenheit schlagen. Die nüchterne Schlussfolgerung lautet also, ein Denkmal in kleineren Maßstäben denken zu müssen. Schon Markierungen und Infotafeln an entsprechender Stelle können für alle diejenigen wertvoll sein, die genauer hinsehen wollen und sich fragen, wie ihre Alltagswelt vor vielen Jahrhunderten ausgesehen haben mag. In jedem Fall würde dies der Geschichte in kleinem Rahmen gedenken.

(2021)


Abbildungen:

Abb. 1: schematische Darstellung der entdeckten Bausubstanz am Ennester Tor (A.B.S. Archäologische Baugrund-Sanierung GmbH und LWL-Archäologie für Westfalen/E. Cichy)

Abb. 2: Karte Attendorns von 1810 vor Abriss der Wallanlage (Repro: Stadtarchiv Attendorn/R. Breer, Hattingen; Bearbeitung: LWL-Archäologie für Westfalen/A. Müller)

Abb. 3: Westfalen und das Rheinland im 13. Jahrhundert (Droysen, Gustav: „Allgemeiner historischer Handatlas“, Verlag von Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig 1886, S. 26)

Abb. 4: Ausschnitt aus der „Schwedentafel“ mit dem Hauptmann der Attendorner Schützen, Markus Gertmann (Foto: R. Breer, Hattingen)

Abb. 5: Steinfundamente mittelalterlicher Gebäude auf der Breiten Techt (Foto: K. Grüner, Attendorn)

Abb. 6: Siedlungsspuren im „RömerMuseum Xanten“ (Foto: Atelier Brückner/W. Günzel)

Abb. 7: Die Coppergate Ausgrabungsstätte im Jorvik Viking Centre (Foto: York Archaeological Trust)