Politisches Wirken

Schon 1917 war Otto kurzzeitig der USPD beigetreten, in welcher er unter anderem die Bekanntschaft mit Walter Krämer, dem späteren „Arzt von Buchenwald“ machte. 1924 kandidierte Otto noch auf der Liste der SPD auf dem siebten Platz für den Stadtrat, welche allerdings nur bis zum dritten Platz zog. 1923 wandte er sich der „Deutschen Friedensgesellschaft“ (DFG) zu, in welcher ihm erst das Amt des Kreisvorsitzenden und 1926 bereits das Amt des Sekretärs für den südlichen Teil Westfalens einschließlich des Westerwald- und Lahn-Dillgebiets anvertraut wurde. Durch seine Einsatzbereitschaft in der DFG erlangte Otto hohes Ansehen, und ihm wurde sogar ein speziell umgebautes Auto mit Handschaltung zu Verfügung gestellt. Dieses soll Otto nach Angaben von G. Herholz (Ehemann der Großnichte Ursula Herholz) vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges in seine Einzelteile zerlegt haben, sodass dieses unter keinen Umständen für nationalsozialistische Machenschaften hätte missbraucht werden können. Wie G. Herholz berichtet, soll Heinrich Otto sich an Friedensdemonstrationen auf einem Rollbrett sitzend beteiligt und diese angeführt haben. Umso einschneidender scheint der Bruch mit der DFG gewesen zu sein, welcher zudem einer Absage an die SPD-Politik gleichkam, als er 1928 seinen Austritt erklärte.

Er selbst formulierte seine Position damals wie folgt: „[…] So gesehen hat sich die politische Front gegen die Jahre 22 und 24 wesentlich anders gruppiert. Die gefährliche reaktionäre Erscheinung sind heute nicht die vaterländischen Verbände als gerade die SPD im nationalen und internationalen Maßstab die 2. Internationale. Die Entwicklung der 2. Internationalen zum Sozialfaschismus ließe sich an Hand zahlreicher Beispiele aufzeigen, jedoch würde das im Rahmen der heutigen Mitteilung zu weit führen. Gesinnungsfreunde! Wer in den letzten Jahren aufmerksam die politischen und wirtschaftlichen Ereignisse verfolgt hat, der weiß, daß wir einem neuen Weltkrieg entgegeneilen. Es hilft nichts, sich weiszumachen, Locarno, Thoiry, Völkerbund, Abrüstungskonferenzen und Kelloggpakt wären die Mittel, mit denen der Krieg verhindert würde. Der Gang der politischen Ereignisse zeigt, daß diese Mittel vollkommen untauglich sind, vielmehr von den gerissenen Kriegsmachern als Tarnkappe benutzt werden, unter der sie ungestörter neue Verbrechen, namenloses Elend vorbereiten können. Weil mir das klar geworden ist, erachte ich auch die Methoden, die von der DFG vorgeschlagen werden, als illusionär. Resolutionen und flammende Proteste werden das blutige Handwerk der Imperialisten wenig stören. Drohende Gefahr verlangt außergewöhnliche Maßnahmen und Vorbereitungen. Leicht wird mir das Scheiden von euch nicht [fallen], ihr werdet mich aber verstehen können, daß ich euch und mich selbst nicht täuschen möchte. Ich habe mich der Kommunistischen Partei angeschlossen und werde dort nach meinen Kräften arbeiten.“ (Otto, zit. nach Fries 2013, S. 205).

Rückblickend benennt Otto 1946 die Austrittsgründe folgendermaßen: „An der Gründung des Organs ‚Das Andere Deutschland‘ war ich maßgeblich beteiligt. An vielen internationalen Kongressen nahm ich teil und lernte Politiker von internationalem Ruf kennen. Die ‚Deutsche Friedensgesellschaft‘ segelte, politisch gesehen, im Kielwasser der SPD und da die Partei die Politik des ‚kleineren Übels‘ verfolgte, gerieten die radikaleren Mitglieder mit der Zeit in Gegensatz zu dieser Politik. […] es entstand eine lebhafte Diskussion innerhalb der Friedensgesellschaft. Inzwischen hatte ich mich eingehender mit den wirtschaftlichen Problemen befaßt, das ‚Kapital‘ von Karl Marx gelesen und war zur Ansicht gekommen, daß der Krieg wirtschaftlichen Ursprungs sei und von der ökonomischen Seite aus bekämpft werden müsse.“ (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S.3 f.).

Obgleich die DFG Otto großzügige finanzielle Unterstützung anbot, habe dieser diese Entscheidung nie bereut. (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, ebd.).

Wie aus dem zitierten Ausschnitt seiner Rücktrittserklärung zu entnehmen ist, wurde Heinrich Otto Mitglied der KPD. Bis zu deren Verbot am 15. März 1933 war Otto bereits zum Mitglied der „lokalen kommunistischen Führungsschicht“ (Kraume 2012, S.2) aufgestiegen und in Hannover als Instrukteur tätig. Zudem organisierte sich Otto gewerkschaftlich in der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO), welcher F. Kraume zufolge ausschließlich im Walzwerk der Hüttenwerke Geisweid ein Sitz im Betriebsrat zukam (Kraume 2012, ebd.). Die Information Kraumes gilt es allerdings anzuzweifeln, da die „Geisweider Eisenwerke AG“ erst 1946/47 zu der „Hüttenwerke Geisweid AG“ wurde und nicht nur aus einem Walzwerk, sondern außerdem aus einem Stahlwerk bestand. (Fries 2016)

Die politische Arbeit gestaltete sich fortan schwierig. In zwei Fällen wurde Otto des Hochverrats verdächtigt: zunächst aufgrund eines Briefes, der an seinen Freund Walter Krämer gerichtet war und die wirtschaftliche und politische Situation im Siegerland thematisierte. Der zweite Vorfall ereignete sich 1935 im Wirtshaus Steiner. Dort soll Otto ein kommunistisches Lied gesungen haben und auf die Aufforderung, dies zu unterlassen, weil die Zeiten vorbei seien, geantwortet haben, dass diese wiederkehren würden. Die Aussagen darüber, um welches Lied es sich gehandelt haben soll, sind allerdings widersprüchlich (Kraume 2012, S.2 f.). Die beiden Ermittlungen wurden letztlich aufgrund von Mangel an Beweisen fallengelassen, führten aber dazu, dass Otto seine Wohnung wechselte und sich aus der Öffentlichkeit zurückzog (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S. 3).

Gegen Ende des Dritten Reiches nahm Otto die politische Arbeit wieder in vollen Zügen auf und verhalf der KPD im Siegerland zur Reorganisation. Neben seinem Amt als Unterbezirksleiter der Partei engagierte sich Otto außerdem kommunalpolitisch bei der „Demokratischen Arbeitsgemeinschaft von Vertretern der vier ehemaligen demokratischen Parteien“ (DDP, SPD, KPD und Zentrum). Diese wurde später von SPD-, CDU-, FDP- und KPD-Vorstand vertreten. Otto übte zudem ein Amt im Beratenden Ausschuss für den Landkreis und der Stadt Siegen aus und vertrat den „Verband für Kriegs-, Bomben-, und Arbeitsopfer“ als Mitglied des Vorstandes (vgl. Kraume 2012, S.3).

Seinen politischen Höhepunkt erreiche Heinrich Otto am 5. Februar 1946 mit seiner Wahl zum Siegener Landrat unter britischer Besatzung. Vorgeschlagen wurde er von KPD, SPD und Liberalen. Otto gewann mit 32 zu 16 Stimmen die Wahl. Wie seine Mitgliedschaften im Ausschuss zum Wiederaufbau und dem zur Förderung der Landwirtschaft offenbaren, standen der Wiederaufbau und die Versorgungssicherheit der Bevölkerung für den neuen Landrat politisch an erster Stelle. Bereits nach wenigen Monaten, am 24. Oktober 1946, wurden die ersten freien Wahlen durchgeführt. Das Amt als Landrat wurde von dem CDU-Politiker Joseph Büttner übernommen. Die von der CDU beabsichtigte Änderung der Entnazifizierungsausschüsse empörte Otto maßlos, sodass seine Forderung, dass die Entnazifizierung nicht in der Verantwortung von „Halbfaschisten“ und „Militaristen“ geraten dürfe, laut wurde. Mit dieser Aussage richtete Otto seinen Blick auf die aus dem deutschnationalen Spektrum stammenden Mitglieder der CDU. Die Forderung Ottos blieb schließlich ohne Wirkung (vgl. Kraume 2012, S. 4).

Bis 1951 arbeitete Otto sehr erfolgreich als Arbeitsdirektor für die Hüttenwerke Geisweid AG. In dieser Zeit wurde Otto aus der KPD ausgeschlossen (vgl. Kraume 2012, S. 5). Warum es wohlmöglich zum Parteiausschluss zu Beginn der 50er Jahre gekommen sein mag, soll im folgenden Abschnitt diskutiert werden.