Frühes Leben

Heinrich Otto wurde am 5. August 1893 in Siegen geboren und entstammt einer Siegerländer Arbeiterfamilie. Sein Vater Adolf Otto hat jahrzehntelang als Gerbermeister für das Unternehmen Raesfeld gearbeitet und war ebenso wie seine Frau Katharina Otto protestantischen Glaubens, welchen er allerdings sehr liberal auslegte. Auch über die Religionsausübung hinaus vertrat Adolf Otto eine liberal-demokratische Gesinnung; so war er unter anderem Mitbegründer einer Hirsch-Dunkerschen Gewerkschaft (vgl. Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2010, S. 2).

Heinrich Otto schrieb später, dass ihm die Predigt noch nie behagt und er der Denkweisen seines Vaters zu verdanken habe, dass er nicht zum Besuch des Gottesdienstes gezwungen wurde. Stattdessen habe er seiner Leidenschaft, dem „Sammeln von Käfern, Schmetterlingen, Steinen und [dem] Herstellen von allerhand technischer Apparaturen“ (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S. 3) nachgehen können. 1919 folgte schließlich sein Austritt aus der protestantischen Landeskirche (vgl. Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, ebd.).

Bezüglich des weiteren Lebensverlaufs von Heinrich Otto besteht allerdings Unklarheit. Es existiert ein vom Vater unterzeichneter Lebenslauf aus dem Jahre 1913, dem zufolge Otto nach der Beendigung des Volksschulabschlusses für ein halbes Jahr in der Leimfabrik Jakob Göbels in Siegen gearbeitet und danach eine Ausbildung zum Maschinenschlosser bei der Siegener Firma Gebrüder Immel begonnen habe, welche er nach zwei Jahren ohne Abschluss abgebrechen musste (Fries 2013, S. 29). In einem anderen Lebenslauf von 1946 überspringt Otto diese beiden Stationen und behauptet, dass er mit sechs Jahren eingeschult worden sei und Siegen bereits nach der 8. Klasse, 1907, im Alter von 14 Jahren verlassen habe (vgl. Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S. 2). Mit Sicht auf die Daten und die Altersangaben des späteren Lebenslaufs wird deutlich, dass dieser keinen zeitlichen Raum für die zuvor erwähnte Arbeit und Ausbildung aufweist und somit dem älteren Lebenslauf widerspricht.

Daraufhin sei er in die damalige Provinz Preußen gezogen, wo er zunächst für seinen elf Jahre älteren Bruder Adolf Otto arbeitete, welcher in Briesen als Kreiswiesenbaumeister tätig war. Im Anschluss hatte er eine Anstellung beim Tiefbauunternehmer Hans Gliemann in Liebemühl inne (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S. 2). Mit der Rückkehr in die Heimat im Jahr 1913 begann Otto eine einjährige Ausbildung in der Abteilung „Wegebau“ der Siegener Kulturbauschule, nach deren Beendigung er als Techniker beim Bahnbau der Strecke Siegen - Haiger mitwirkte.

1914 brach der 1. Weltkrieg aus – zum 1. Januar 1915 folgte seine Einberufung, welche unermessliche Auswirkungen auf das Leben des jungen Heinrich mit sich führen sollte: Am 2. März 1916 wurde er beim Sturm auf Verdun mit Schüssen durch Knie, Oberschenkel und am Kopf schwer verwundet. Für Heinrich Otto folgte ein fast zweijähriger Lazarettaufenthalt und der Verlust seiner beiden Unterschenkel (vgl. Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S. 2 f.).

Im Jahr 1921 heiratete Heinrich Otto Bernhardine Stamm. Bernhardine gebar 1929 die gemeinsame Tochter Ruth-Hardie Otto, welche allerdings bereits im Alter von sechs Jahren verstarb.

Heinrich Otto schreibt 1946, dass er infolge des Gesetzes für Heimarbeiter sofort nach seinem Lazarettaufenthalt in die Büros der Kriegsindustrie übernommen wurde und unfreiwillig in verschiedenen Konstruktionsbüros arbeiten musste. „Der Pazifist“ Nr. 8 vom 22.2.1925 berichtet mit Empörung, dass Heinrich Otto nach jahrelanger Beschäftigung in einer Siegener Firma, trotz hundertprozentiger Kriegsbeschädigung, am 1.1.1925 entlassen wurde. Im Folgejahr entschied Otto sich dazu, aus dem Berufsleben auszusteigen und seine Kraft gänzlich der Politik zu widmen (vgl. Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S. 3/unbekannter Autor, zit. nach Fries 2013, S. 31).