von Verena Wolbring

Die von Heinrich Otto zitieren Worte Schillers über die Vervollkommnung „Im engen Kreis verengert sich der Sinn, es wächst der Mensch mit seinen größern Zwecken“ (Schiller zit. nach Otto, in: Fries 2013, S. 197) verdeutlichen den politischen Ehrgeiz des ersten und einzigen kommunistischen Landrats Siegens in seinem Kampf gegen Faschismus und Militarismus. Auf dem Weg zu einem „Neuaufbau des Denkens, Fühlens und Wollens im Sinne der pazifistischen Weltanschauung“ (Otto, in: Fries, ebd.) bricht dieser mit dem ihn umgebenden engen Kreis und entwickelt Ideen, die diesen Rahmen überwinden.

Folgt man seinen Spuren, führen diese nicht ohne weiteres zum erwünschten Ziel. Die intensivere Auseinandersetzung mit seiner Person wirft Fragen auf und bringt Widersprüche ans Licht.

Im Folgenden soll die Biographie Heinrich Ottos kritisch diskutiert und auf ihre Widersprüche hin untersucht werden.

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Frühes Leben

Heinrich Otto wurde am 5. August 1893 in Siegen geboren und entstammt einer Siegerländer Arbeiterfamilie. Sein Vater Adolf Otto hat jahrzehntelang als Gerbermeister für das Unternehmen Raesfeld gearbeitet und war ebenso wie seine Frau Katharina Otto protestantischen Glaubens, welchen er allerdings sehr liberal auslegte. Auch über die Religionsausübung hinaus vertrat Adolf Otto eine liberal-demokratische Gesinnung; so war er unter anderem Mitbegründer einer Hirsch-Dunkerschen Gewerkschaft (vgl. Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2010, S. 2).

Heinrich Otto schrieb später, dass ihm die Predigt noch nie behagt und er der Denkweisen seines Vaters zu verdanken habe, dass er nicht zum Besuch des Gottesdienstes gezwungen wurde. Stattdessen habe er seiner Leidenschaft, dem „Sammeln von Käfern, Schmetterlingen, Steinen und [dem] Herstellen von allerhand technischer Apparaturen“ (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S. 3) nachgehen können. 1919 folgte schließlich sein Austritt aus der protestantischen Landeskirche (vgl. Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, ebd.).

Bezüglich des weiteren Lebensverlaufs von Heinrich Otto besteht allerdings Unklarheit. Es existiert ein vom Vater unterzeichneter Lebenslauf aus dem Jahre 1913, dem zufolge Otto nach der Beendigung des Volksschulabschlusses für ein halbes Jahr in der Leimfabrik Jakob Göbels in Siegen gearbeitet und danach eine Ausbildung zum Maschinenschlosser bei der Siegener Firma Gebrüder Immel begonnen habe, welche er nach zwei Jahren ohne Abschluss abgebrechen musste (Fries 2013, S. 29). In einem anderen Lebenslauf von 1946 überspringt Otto diese beiden Stationen und behauptet, dass er mit sechs Jahren eingeschult worden sei und Siegen bereits nach der 8. Klasse, 1907, im Alter von 14 Jahren verlassen habe (vgl. Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S. 2). Mit Sicht auf die Daten und die Altersangaben des späteren Lebenslaufs wird deutlich, dass dieser keinen zeitlichen Raum für die zuvor erwähnte Arbeit und Ausbildung aufweist und somit dem älteren Lebenslauf widerspricht.

Daraufhin sei er in die damalige Provinz Preußen gezogen, wo er zunächst für seinen elf Jahre älteren Bruder Adolf Otto arbeitete, welcher in Briesen als Kreiswiesenbaumeister tätig war. Im Anschluss hatte er eine Anstellung beim Tiefbauunternehmer Hans Gliemann in Liebemühl inne (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S. 2). Mit der Rückkehr in die Heimat im Jahr 1913 begann Otto eine einjährige Ausbildung in der Abteilung „Wegebau“ der Siegener Kulturbauschule, nach deren Beendigung er als Techniker beim Bahnbau der Strecke Siegen - Haiger mitwirkte.

1914 brach der 1. Weltkrieg aus – zum 1. Januar 1915 folgte seine Einberufung, welche unermessliche Auswirkungen auf das Leben des jungen Heinrich mit sich führen sollte: Am 2. März 1916 wurde er beim Sturm auf Verdun mit Schüssen durch Knie, Oberschenkel und am Kopf schwer verwundet. Für Heinrich Otto folgte ein fast zweijähriger Lazarettaufenthalt und der Verlust seiner beiden Unterschenkel (vgl. Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S. 2 f.).

Im Jahr 1921 heiratete Heinrich Otto Bernhardine Stamm. Bernhardine gebar 1929 die gemeinsame Tochter Ruth-Hardie Otto, welche allerdings bereits im Alter von sechs Jahren verstarb.

Heinrich Otto schreibt 1946, dass er infolge des Gesetzes für Heimarbeiter sofort nach seinem Lazarettaufenthalt in die Büros der Kriegsindustrie übernommen wurde und unfreiwillig in verschiedenen Konstruktionsbüros arbeiten musste. „Der Pazifist“ Nr. 8 vom 22.2.1925 berichtet mit Empörung, dass Heinrich Otto nach jahrelanger Beschäftigung in einer Siegener Firma, trotz hundertprozentiger Kriegsbeschädigung, am 1.1.1925 entlassen wurde. Im Folgejahr entschied Otto sich dazu, aus dem Berufsleben auszusteigen und seine Kraft gänzlich der Politik zu widmen (vgl. Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S. 3/unbekannter Autor, zit. nach Fries 2013, S. 31).


Politisches Wirken

Schon 1917 war Otto kurzzeitig der USPD beigetreten, in welcher er unter anderem die Bekanntschaft mit Walter Krämer, dem späteren „Arzt von Buchenwald“ machte. 1924 kandidierte Otto noch auf der Liste der SPD auf dem siebten Platz für den Stadtrat, welche allerdings nur bis zum dritten Platz zog. 1923 wandte er sich der „Deutschen Friedensgesellschaft“ (DFG) zu, in welcher ihm erst das Amt des Kreisvorsitzenden und 1926 bereits das Amt des Sekretärs für den südlichen Teil Westfalens einschließlich des Westerwald- und Lahn-Dillgebiets anvertraut wurde. Durch seine Einsatzbereitschaft in der DFG erlangte Otto hohes Ansehen, und ihm wurde sogar ein speziell umgebautes Auto mit Handschaltung zu Verfügung gestellt. Dieses soll Otto nach Angaben von G. Herholz (Ehemann der Großnichte Ursula Herholz) vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges in seine Einzelteile zerlegt haben, sodass dieses unter keinen Umständen für nationalsozialistische Machenschaften hätte missbraucht werden können. Wie G. Herholz berichtet, soll Heinrich Otto sich an Friedensdemonstrationen auf einem Rollbrett sitzend beteiligt und diese angeführt haben. Umso einschneidender scheint der Bruch mit der DFG gewesen zu sein, welcher zudem einer Absage an die SPD-Politik gleichkam, als er 1928 seinen Austritt erklärte.

Er selbst formulierte seine Position damals wie folgt: „[…] So gesehen hat sich die politische Front gegen die Jahre 22 und 24 wesentlich anders gruppiert. Die gefährliche reaktionäre Erscheinung sind heute nicht die vaterländischen Verbände als gerade die SPD im nationalen und internationalen Maßstab die 2. Internationale. Die Entwicklung der 2. Internationalen zum Sozialfaschismus ließe sich an Hand zahlreicher Beispiele aufzeigen, jedoch würde das im Rahmen der heutigen Mitteilung zu weit führen. Gesinnungsfreunde! Wer in den letzten Jahren aufmerksam die politischen und wirtschaftlichen Ereignisse verfolgt hat, der weiß, daß wir einem neuen Weltkrieg entgegeneilen. Es hilft nichts, sich weiszumachen, Locarno, Thoiry, Völkerbund, Abrüstungskonferenzen und Kelloggpakt wären die Mittel, mit denen der Krieg verhindert würde. Der Gang der politischen Ereignisse zeigt, daß diese Mittel vollkommen untauglich sind, vielmehr von den gerissenen Kriegsmachern als Tarnkappe benutzt werden, unter der sie ungestörter neue Verbrechen, namenloses Elend vorbereiten können. Weil mir das klar geworden ist, erachte ich auch die Methoden, die von der DFG vorgeschlagen werden, als illusionär. Resolutionen und flammende Proteste werden das blutige Handwerk der Imperialisten wenig stören. Drohende Gefahr verlangt außergewöhnliche Maßnahmen und Vorbereitungen. Leicht wird mir das Scheiden von euch nicht [fallen], ihr werdet mich aber verstehen können, daß ich euch und mich selbst nicht täuschen möchte. Ich habe mich der Kommunistischen Partei angeschlossen und werde dort nach meinen Kräften arbeiten.“ (Otto, zit. nach Fries 2013, S. 205).

Rückblickend benennt Otto 1946 die Austrittsgründe folgendermaßen: „An der Gründung des Organs ‚Das Andere Deutschland‘ war ich maßgeblich beteiligt. An vielen internationalen Kongressen nahm ich teil und lernte Politiker von internationalem Ruf kennen. Die ‚Deutsche Friedensgesellschaft‘ segelte, politisch gesehen, im Kielwasser der SPD und da die Partei die Politik des ‚kleineren Übels‘ verfolgte, gerieten die radikaleren Mitglieder mit der Zeit in Gegensatz zu dieser Politik. […] es entstand eine lebhafte Diskussion innerhalb der Friedensgesellschaft. Inzwischen hatte ich mich eingehender mit den wirtschaftlichen Problemen befaßt, das ‚Kapital‘ von Karl Marx gelesen und war zur Ansicht gekommen, daß der Krieg wirtschaftlichen Ursprungs sei und von der ökonomischen Seite aus bekämpft werden müsse.“ (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S.3 f.).

Obgleich die DFG Otto großzügige finanzielle Unterstützung anbot, habe dieser diese Entscheidung nie bereut. (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, ebd.).

Wie aus dem zitierten Ausschnitt seiner Rücktrittserklärung zu entnehmen ist, wurde Heinrich Otto Mitglied der KPD. Bis zu deren Verbot am 15. März 1933 war Otto bereits zum Mitglied der „lokalen kommunistischen Führungsschicht“ (Kraume 2012, S.2) aufgestiegen und in Hannover als Instrukteur tätig. Zudem organisierte sich Otto gewerkschaftlich in der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO), welcher F. Kraume zufolge ausschließlich im Walzwerk der Hüttenwerke Geisweid ein Sitz im Betriebsrat zukam (Kraume 2012, ebd.). Die Information Kraumes gilt es allerdings anzuzweifeln, da die „Geisweider Eisenwerke AG“ erst 1946/47 zu der „Hüttenwerke Geisweid AG“ wurde und nicht nur aus einem Walzwerk, sondern außerdem aus einem Stahlwerk bestand. (Fries 2016)

Die politische Arbeit gestaltete sich fortan schwierig. In zwei Fällen wurde Otto des Hochverrats verdächtigt: zunächst aufgrund eines Briefes, der an seinen Freund Walter Krämer gerichtet war und die wirtschaftliche und politische Situation im Siegerland thematisierte. Der zweite Vorfall ereignete sich 1935 im Wirtshaus Steiner. Dort soll Otto ein kommunistisches Lied gesungen haben und auf die Aufforderung, dies zu unterlassen, weil die Zeiten vorbei seien, geantwortet haben, dass diese wiederkehren würden. Die Aussagen darüber, um welches Lied es sich gehandelt haben soll, sind allerdings widersprüchlich (Kraume 2012, S.2 f.). Die beiden Ermittlungen wurden letztlich aufgrund von Mangel an Beweisen fallengelassen, führten aber dazu, dass Otto seine Wohnung wechselte und sich aus der Öffentlichkeit zurückzog (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein 2014, S. 3).

Gegen Ende des Dritten Reiches nahm Otto die politische Arbeit wieder in vollen Zügen auf und verhalf der KPD im Siegerland zur Reorganisation. Neben seinem Amt als Unterbezirksleiter der Partei engagierte sich Otto außerdem kommunalpolitisch bei der „Demokratischen Arbeitsgemeinschaft von Vertretern der vier ehemaligen demokratischen Parteien“ (DDP, SPD, KPD und Zentrum). Diese wurde später von SPD-, CDU-, FDP- und KPD-Vorstand vertreten. Otto übte zudem ein Amt im Beratenden Ausschuss für den Landkreis und der Stadt Siegen aus und vertrat den „Verband für Kriegs-, Bomben-, und Arbeitsopfer“ als Mitglied des Vorstandes (vgl. Kraume 2012, S.3).

Seinen politischen Höhepunkt erreiche Heinrich Otto am 5. Februar 1946 mit seiner Wahl zum Siegener Landrat unter britischer Besatzung. Vorgeschlagen wurde er von KPD, SPD und Liberalen. Otto gewann mit 32 zu 16 Stimmen die Wahl. Wie seine Mitgliedschaften im Ausschuss zum Wiederaufbau und dem zur Förderung der Landwirtschaft offenbaren, standen der Wiederaufbau und die Versorgungssicherheit der Bevölkerung für den neuen Landrat politisch an erster Stelle. Bereits nach wenigen Monaten, am 24. Oktober 1946, wurden die ersten freien Wahlen durchgeführt. Das Amt als Landrat wurde von dem CDU-Politiker Joseph Büttner übernommen. Die von der CDU beabsichtigte Änderung der Entnazifizierungsausschüsse empörte Otto maßlos, sodass seine Forderung, dass die Entnazifizierung nicht in der Verantwortung von „Halbfaschisten“ und „Militaristen“ geraten dürfe, laut wurde. Mit dieser Aussage richtete Otto seinen Blick auf die aus dem deutschnationalen Spektrum stammenden Mitglieder der CDU. Die Forderung Ottos blieb schließlich ohne Wirkung (vgl. Kraume 2012, S. 4).

Bis 1951 arbeitete Otto sehr erfolgreich als Arbeitsdirektor für die Hüttenwerke Geisweid AG. In dieser Zeit wurde Otto aus der KPD ausgeschlossen (vgl. Kraume 2012, S. 5). Warum es wohlmöglich zum Parteiausschluss zu Beginn der 50er Jahre gekommen sein mag, soll im folgenden Abschnitt diskutiert werden.


Der Ausschluss aus der KPD

Warum Otto aus der KPD ausgeschlossen wurde, ist aus dem vorhandenen Material nicht ermittelbar. Es gibt Vermutungen, dass persönliche Gründe diesbezüglich eine zentrale Rolle gespielt haben.

Darüber hinaus besteht außerdem die Möglichkeit, dass Otto die KPD aufgrund politischer Differenzen verlassen musste. Hierzu ist zu beachten, dass die Funktion der KPD in den Westzonen der einer Oppositionspartei entsprach und dass diese sich bis 1949 offiziell als Teil der SED verstand, weshalb die Entscheidungen der KPD maßgeblich durch die SED mitbestimmt wurden. So vollzogen sich Ende der 40er bis Mitte der 50er Jahre die sogenannten „Parteisäuberungen“. In der Säuberungsphase von 1949/1950 forderte die SED die KPD zu Ausschlüssen von „Agenten“ auf und ließ insbesondere die Landesvorstände überprüfen (vgl. Mayer 1997, S. 137). Da Otto vom 2. Oktober 1946 bis zum 16. Dezember 1946 als Mitglied im nordrhein-westfälischen Landtag vertreten war (Kraume 2012, S. 4), liegt der Gedanke nicht fern, dass auch er unter Verdacht geriet. In dem Zusammenhang könnte von Interesse sein, dass Heinrich Otto bis ins hohe Alter stets im Austausch mit SED-Funktionären gestanden haben soll.

Einem wiederum anderen Ansatz zufolge gehen dem Ausschluss von Heinrich Otto aus der KPD gewerkschaftshistorische Gründe voraus. 1934/35 wurde die Gewerkschaftsfrage innerhalb der KPD intensiv diskutiert. Die Partei wand sich von bisherigen Strukturen wie der RGO und anderen Richtungsgewerkschaften ab und strebte nun die Etablierung von Einheitsgewerkschaften in Zusammenarbeit mit Sozialdemokraten, Kommunisten und Christen an. So wurde 1949 am Aufbau des DGB unter „tatkräftiger Mitwirkung der KPD“ gearbeitet (Judick/Schleifstein/Steinhaus 1989, S. 44). Die unterschiedlichen politischen Ausrichtungen der Parteien führten zu Spannungen. Der Vorwurf gegenüber der SPD, diese würde die US-Politik sowie die Westintegration befürworten, wurde laut. Mit dem Ausbruch des Kalten Krieges 1949 wandten sich die US-amerikanischen und andere westliche Gewerkschaften vom Weltgewerkschaftsbund (WGB) ab. An dessen Stelle trat der antikommunistische Internationale Bund freier Gewerkschaften (IBFG). 1951 entbrannte ein Streik auf der Hasper Hütte in Hagen. Dieser sollte als „ein Signal für den Kampf gegen Adenauers Aufrüstungspolitik“ (Judick/Schleifstein/Steinhaus 1989 S. 45) dienen. Daraufhin entsandte die Gewerkschaftsführung zwei der KPD angehörende Gewerkschaftssekretäre zur Schlichtung des Streiks nach Hagen. Weil diese der gewerkschaftlichen Forderung nachkamen, erfolgte deren Ausschluss aus der KPD. Außerdem wurde von der Hasper Hütte ausgehend ein europäischer Arbeiterkongress gegen Remilitarisierung einberufen, welcher Gewerkschaftsorganisationen aus 19 europäischen Ländern vereinte und aus dem das „Europäische Arbeiterkomitee gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands“ hervorging. Das Europäische Arbeiterkomitee bestand hauptsächlich aus Organisationen, die im WGB verblieben sind. Der DGB hingegen folgte dem IBFG und lehnte 1951 „ausdrücklich Beschlüsse gegen die Remilitarisierung“ (Judick/Schleifstein/Steinhaus 1989, S. 46) ab, um im Gegenzug an politischer Mitbestimmung zu gewinnen. In Reaktion auf die welt- und innerpolitischen Entwicklungen wurde am KPD-Parteitag vom März 1951 ein umfangreiches Dokument verabschiedet, welches unter anderem die „These 37“ enthielt. Diese These richtete sich gegen „rechte Gewerkschaftsführer“, welche im Interesse amerikanischen Imperialismus‘ und deutscher Monopolisten agieren und somit „die Gewerkschaften in den Dienst der Kriegsvorbereitungen zu stellen“ versuchten (Judick/Schleifstein/Steinhaus 1989, S. 47). Dies hatte zu Folge, dass der KPD angehörende Gewerkschaftsfunktionäre seitens zahlreicher Einzelgewerkschaften und des DGB vor die Entscheidung gestellt wurden, einen Revers gegen die These 37 zu unterschreiben oder ihr Amt innerhalb der Gewerkschaft abzulegen. Dies begründet, dass sowohl die Gewerkschaften als auch die KPD enorme Verluste hinsichtlich ihrer Mitgliederzahl hinnehmen mussten und dass die KPD „auf einem zentralen Tätigkeitsfeld außerordentlich geschwächt“ (Judick/Schleifstein/Steinhaus 1989, S. 48) wurde. In Bezug auf Heinrich Otto wäre es denkbar, dass dieser im Kontext einer solchen Auseinandersetzung aus der KPD ausgeschlossen wurde. An dieser Stelle wäre zu klären, welche Rolle die Gewerkschaft für sein politisches Handeln oder für sein berufliches Leben zu diesem Zeitpunkt noch gespielt hat.

Auch wenn Heinrich Otto die KPD verlassen musste, betont G. Herholz, dass dies Ottos politischer Ausrichtung bis zu seinem Tod am 31. Juli 1983 keinen Abbruch getan habe. Denn wie Heinrich Otto betont: „Im engren Kreis verengert sich der Sinn […]“ (Schiller zit. nach Otto, in: Fries, S. 197).

(2016)



Quellenverzeichnis

Archivalische Quellen

Kreisarchiv Siegen- Wittgenstein: Angelegenheiten der britischen Militärregierung. Signatur 2679

Bildnachweis

Die Bilder entstammen dem Privatbesitz von Frau Ursula Herholz, Christel Schaumann und Katharina Blum.

Online-Quellen

Mündliche Quellen

  • Herholz, Gerhard (2016). Gesprächsnotiz basierend auf einem Telefonat, geführt von der Verfasserin. Siegen, Februar 2016.
  • Fries, Traute (2016). Notiz basierend auf Emailverkehr mit der Verfasserin. Siegen, April 2016.

Weitere Literatur

  • Judick, Günter; Schleifstein, Josef; Steinhaus, Kurt: KPD 1945-1968 – Dokumente. Neuss: Edition Marxistische Blätter 1989.
  • Fries, Traute: Die Deutsche Friedensgesellschaft – im Bezirk Sieg-Lahn-Dill in der Weimarer Republik. Siegen: Vorländer 2013.
  • Mayer, Herbert: Parteisäuberungen in der bundesdeutschen KPD – Ein westeuropäisches Fallbeispiel. In: UTOPIE kreativ Jg. 1997, Heft 81/82, S. 134.