Der Ausschluss aus der KPD

Warum Otto aus der KPD ausgeschlossen wurde, ist aus dem vorhandenen Material nicht ermittelbar. Es gibt Vermutungen, dass persönliche Gründe diesbezüglich eine zentrale Rolle gespielt haben.

Darüber hinaus besteht außerdem die Möglichkeit, dass Otto die KPD aufgrund politischer Differenzen verlassen musste. Hierzu ist zu beachten, dass die Funktion der KPD in den Westzonen der einer Oppositionspartei entsprach und dass diese sich bis 1949 offiziell als Teil der SED verstand, weshalb die Entscheidungen der KPD maßgeblich durch die SED mitbestimmt wurden. So vollzogen sich Ende der 40er bis Mitte der 50er Jahre die sogenannten „Parteisäuberungen“. In der Säuberungsphase von 1949/1950 forderte die SED die KPD zu Ausschlüssen von „Agenten“ auf und ließ insbesondere die Landesvorstände überprüfen (vgl. Mayer 1997, S. 137). Da Otto vom 2. Oktober 1946 bis zum 16. Dezember 1946 als Mitglied im nordrhein-westfälischen Landtag vertreten war (Kraume 2012, S. 4), liegt der Gedanke nicht fern, dass auch er unter Verdacht geriet. In dem Zusammenhang könnte von Interesse sein, dass Heinrich Otto bis ins hohe Alter stets im Austausch mit SED-Funktionären gestanden haben soll.

Einem wiederum anderen Ansatz zufolge gehen dem Ausschluss von Heinrich Otto aus der KPD gewerkschaftshistorische Gründe voraus. 1934/35 wurde die Gewerkschaftsfrage innerhalb der KPD intensiv diskutiert. Die Partei wand sich von bisherigen Strukturen wie der RGO und anderen Richtungsgewerkschaften ab und strebte nun die Etablierung von Einheitsgewerkschaften in Zusammenarbeit mit Sozialdemokraten, Kommunisten und Christen an. So wurde 1949 am Aufbau des DGB unter „tatkräftiger Mitwirkung der KPD“ gearbeitet (Judick/Schleifstein/Steinhaus 1989, S. 44). Die unterschiedlichen politischen Ausrichtungen der Parteien führten zu Spannungen. Der Vorwurf gegenüber der SPD, diese würde die US-Politik sowie die Westintegration befürworten, wurde laut. Mit dem Ausbruch des Kalten Krieges 1949 wandten sich die US-amerikanischen und andere westliche Gewerkschaften vom Weltgewerkschaftsbund (WGB) ab. An dessen Stelle trat der antikommunistische Internationale Bund freier Gewerkschaften (IBFG). 1951 entbrannte ein Streik auf der Hasper Hütte in Hagen. Dieser sollte als „ein Signal für den Kampf gegen Adenauers Aufrüstungspolitik“ (Judick/Schleifstein/Steinhaus 1989 S. 45) dienen. Daraufhin entsandte die Gewerkschaftsführung zwei der KPD angehörende Gewerkschaftssekretäre zur Schlichtung des Streiks nach Hagen. Weil diese der gewerkschaftlichen Forderung nachkamen, erfolgte deren Ausschluss aus der KPD. Außerdem wurde von der Hasper Hütte ausgehend ein europäischer Arbeiterkongress gegen Remilitarisierung einberufen, welcher Gewerkschaftsorganisationen aus 19 europäischen Ländern vereinte und aus dem das „Europäische Arbeiterkomitee gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands“ hervorging. Das Europäische Arbeiterkomitee bestand hauptsächlich aus Organisationen, die im WGB verblieben sind. Der DGB hingegen folgte dem IBFG und lehnte 1951 „ausdrücklich Beschlüsse gegen die Remilitarisierung“ (Judick/Schleifstein/Steinhaus 1989, S. 46) ab, um im Gegenzug an politischer Mitbestimmung zu gewinnen. In Reaktion auf die welt- und innerpolitischen Entwicklungen wurde am KPD-Parteitag vom März 1951 ein umfangreiches Dokument verabschiedet, welches unter anderem die „These 37“ enthielt. Diese These richtete sich gegen „rechte Gewerkschaftsführer“, welche im Interesse amerikanischen Imperialismus‘ und deutscher Monopolisten agieren und somit „die Gewerkschaften in den Dienst der Kriegsvorbereitungen zu stellen“ versuchten (Judick/Schleifstein/Steinhaus 1989, S. 47). Dies hatte zu Folge, dass der KPD angehörende Gewerkschaftsfunktionäre seitens zahlreicher Einzelgewerkschaften und des DGB vor die Entscheidung gestellt wurden, einen Revers gegen die These 37 zu unterschreiben oder ihr Amt innerhalb der Gewerkschaft abzulegen. Dies begründet, dass sowohl die Gewerkschaften als auch die KPD enorme Verluste hinsichtlich ihrer Mitgliederzahl hinnehmen mussten und dass die KPD „auf einem zentralen Tätigkeitsfeld außerordentlich geschwächt“ (Judick/Schleifstein/Steinhaus 1989, S. 48) wurde. In Bezug auf Heinrich Otto wäre es denkbar, dass dieser im Kontext einer solchen Auseinandersetzung aus der KPD ausgeschlossen wurde. An dieser Stelle wäre zu klären, welche Rolle die Gewerkschaft für sein politisches Handeln oder für sein berufliches Leben zu diesem Zeitpunkt noch gespielt hat.

Auch wenn Heinrich Otto die KPD verlassen musste, betont G. Herholz, dass dies Ottos politischer Ausrichtung bis zu seinem Tod am 31. Juli 1983 keinen Abbruch getan habe. Denn wie Heinrich Otto betont: „Im engren Kreis verengert sich der Sinn […]“ (Schiller zit. nach Otto, in: Fries, S. 197).

(2016)