von Peter Schmeinta
Ein prägendes Bild der Stadt Werdohl ist das heutige Rathausgebäude an der Goethestraße. Die Geschichte der Nutzung dieser Einrichtung ist wechselhaft und soll deshalb näher beschrieben werden.
Vorgeschichte
Die Struktur der ehemals ländlichen Gemeinde Werdohl änderte sich mit der Fertigstellung der Ruhr-Sieg-Eisenbahn 1861 wesentlich. Werdohl war ab jetzt für Industriebetriebe als Standort von Fabriken attraktiv geworden, und diese prägende Zeit spiegelt sich in der heutigen Industriestadt noch immer wieder. Durch das Wachstum der Industrie wurde immer mehr Wohnraum für die Arbeiter benötigt, und so wurde 1901 eine gemeinnützige Baugenossenschaft gegründet: Werdohler Industrielle erkannten das Wohnproblem und taten sich zusammen, um ein Ledigenheim zur Unterbringung unverheirateter Arbeiter zu finanzieren. 1910 wurde der Bau in Auftrag gegeben, und 1912 konnte Richtfest gefeiert werden.
Vom Ledigenheim zum Rathaus
Das Gebäude besteht auch heute noch gänzlich aus heimischer und hammerrecht gemauerter Grauwacke mit feuer- und schallsicheren Betondecken und war seiner Zeit eine hochmoderne und höchst soziale Einrichtung. Es enthielt 92 Zimmer zu ein, zwei und drei Betten. Insgesamt konnte es so 145 Arbeitern als Wohnraum dienen. Jedes Zimmer war mit einer Zentralheizung sowie elektrischer Beleuchtung, einem Tisch und einem abschließbaren Schrank für jeden Bewohner und einer Wascheinrichtung mit fließendem Wasser ausgestattet. Im Erdgeschoss befand sich damals ein großer Speisesaal, dessen sieben große Fenster aus farbigem Glas mit der Darstellung verschiedener Zünfte und Wissenschaften noch immer erhalten sind. Der ehemalige Speisesaal wird heute als Sitzungsraum des Rates der Stadt Werdohl genutzt. Ein Lesesaal sowie die Küche, die mit einer Dampfkochanlage ausgestattet war, waren ebenfalls im Erdgeschoss untergebracht. Im Kellergeschoss befand sich eine Badeanstalt, welche aus Wannen-, Brause- und Dampfbädern bestand, sowie eine maschinelle Waschanstalt. Beide Einrichtungen konnten auch von Nicht-Bewohnern des Heimes genutzt werden. Zu dem eigentlichen Gebäude gehörte zudem noch eine große Wiese, die wohl unter anderem als Fußballplatz genutzt wurde. Das gesamte Projekt kostete die gemeinnützige Baugesellschaft 180.000 Mark. Das Ledigenheim wurde dann für eine kurze Zeit umfunktioniert und diente der Firma Kugel & Berg als Bürogebäude, bis es 1927 von der Gemeinde Werdohl aufgekauft wurde. Als Werdohl schließlich am 19. April 1936 vom Oberpräsidenten der Provinz Westfalen das Stadtrecht erhielt, wurde das ehemalige Ledigenheim, welches bis dahin für die Gemeinde Werdohl als Amtshaus diente, offiziell zum Rathaus ernannt.
Im Jahre 1975 wurde ein Neubau errichtet, der durch einen Verbindungsgang mit dem Altbau verbunden ist. Im Verbindungsgang zwischen Alt- und Neubau ist der originale Wappenstein aus der ehemaligen Burg Pungelscheid mit dem Wappen der Neuhoff-Bottlenberg eingemauert.
Erwähnenswert bleibt ebenfalls, dass das Werdohler Rathaus seit dem 1. September 1982 unter Denkmalschutz steht.